Sie kennen das aus Ihrem Arbeitsumfeld bestimmt auch: Es gibt einige wiederkehrende Sprüche bzw. Fragen, die, wenn sie einen an einem schlechten Tag nicht gleich auf die Palme bringen, so doch ein Stirnrunzeln verursachen, irgendwie verwundern oder nachdenklich stimmen. Leider wird manchmal diese sprichwörtliche „Palme“ (der Frust) umso höher, je öfter man die teilweise kruden „Thesen“ aufklären muss. Manchmal.
Was ich als Plagiatsprüferin schon nicht mehr hören kann und warum, habe ich Ihnen im heutigen Artikel zusammengestellt.
Die “All Time Classics”
1) „Ich habe ein Plagiatsprüfprogramm verwendet, also ist jetzt kein Plagiat mehr in meinem Text! Alles sauber!“
Ganz so einfach ist es dann leider auch wieder nicht! Plagiatsprüfprogramme werden fälschlicherweise so genannt, aber sie sind in Wirklichkeit nichts anderes als (sehr ausgetüftelte und meist auch ganz gute) Textvergleichsprogramme. Je nach Menge und Qualität der Vergleichsquellen im Hintergrund verfügbar (plus einiger anderer Faktoren (siehe Blogbeitrag)), umso mehr Ähnlichkeiten zum Prüftext kann es anzeigen.MEHR NICHT, Plagiate kann so ein Programm gar nicht anzeigen!
Außerdem gibt es ja eine Vielzahl unterschiedlicher Formen von Plagiaten und anderen Unredlichkeiten in Texten (z. B. Übersetzungsplagiat, akademisches Ghostwriting), die so im Normalfall sowieso nicht gefunden werden können.
2) „Früher war das mit dem Zitieren alles gaaanz anders …“
Nope! Kommt drauf an, wann „früher“ ist, generell war es aber nie so wirklich anders! Man muss verwendete Quellen angeben, wenn man sich darauf in wissenschaftlichen Texten bezieht, gilt wohl schon so lange Menschen kritisch denken und wissenschaftlich arbeiten. Ein Zitat hat vielfältige Funktionen, z. B. zeigt es, dass man sich mit der Hintergrundliteratur gut auskennt, einen anderen Standpunkt bezieht als eine Forschungsgruppe, usw. Zitiert man nicht, nimmt man sich und seinen Argumenten diese wichtigen Funktionen.
Richtig ist allerdings, dass es sehr viele unterschiedliche Formen und Ansichten zum Zitieren gab und gibt! Alleine im beliebten Literaturverwaltungsprogramm „Endnote“ finden sich in der derzeit aktuellsten Version mehr als 6000(!) verschiedene Zitierstile! Zudem sind auch das Konzept des „geistigen Eigentums“, Einstellungen zu Sinn und Zweck von Wissenschaft ansich, zum kollaborativem Schreiben und vielem mehr immer wieder heiß diskutiert.
Und doch bleibe ich beim NEIN – es war früher kaum anders, die Notwenigkeit des Zitierens in den Wissenschaften war schon immer ziemlich ähnlich den meisten der heutigen Ansichten!
3) „Bei diesem direkten Zitat ist alles korrekt: es ist eingerückt und unter Anführungszeichen und ich habe die Quelle zitiert. Ist eine halbe Seite verwenden eh ok?“
Wahrscheinlich eher neiiiin! Tatsächlich ist es so wie beschrieben für viele Fachrichtungen ein formell wohl korrektes direktes Zitat. Und doch ist es wahrscheinlich falsch! Denn auch wenn man die ursprünglichen UrheberInnen kennzeichnet, kann man nicht beliebig viel Text übernehmen. In manchen Fächern ist mehr Zitatext erlaubt bzw. sogar unumgänglich (z. B. vergl. Literaturwissenschaften, juristische Texte), meist sollte man sich jedoch auf „weniger ist mehr“ beschränken.
Wie viel „wenig“ ist, ist jedoch sehr schwierig zu beschrieben. Vielleicht hilt dieser Ausblick dabei: Ziel einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit ist, vorzuweisen, dass SIE die geforderte Leistung (diesen Text zu diesem Thema) professionell erarbeiten und beschreiben können. Je mehr „Fremdmaterial“ das „verwässert“, umso schlechter kann Ihre Leistung beurteilt werden.Ein direktes Zitat kann man sich auch als extrem starkes „Highlight“ vorstellen, für das Sie kostbaren Platz in Ihrem Text zur Verfügung stellen und das sie den Lesenden EXTRA unter die Nase reiben. Es muss also AB-SO-LUT essentiell sein, dass Sie den genauen Wortlaut und in der exakten Länge zeigen. Und, bitte nicht vergessen, jedes Zitat und jede andere verwendete Quelle (wie Abbildungen, Tabellen, etc.) MÜSSEN unbedingt im Text diskutiert werden, ansonsten haben sie keinerlei Funktion erfüllt und müss aus dem Text herausgenommen werden. Nur zur „Dekoration“ können sie absolut nicht fungieren!
4. „Ach, Sie sind Plagiatsprüferin … also Plagiatsjägerin! Wie spannend!“
Ja, meine Arbeit ist tatsächlich spannend! Ich mag sie sehr und gehe ihr seit mehr als 8 Jahren sehr passioniert hauptberuflich nach, mehr als 6 Jahre davon sogar freiberuflich. Meine Berufsbezeichnung ist jedoch Science Counsellor oder Plagiatsprüferin (lesen Sie hier mein “Mission Statement”). Sogennante „Plagiatsjäger“ (ich weiss nicht, ob sie sich auch selbst so bezeichnen?) legen gänzlich andere Richtlinien und Ziele an ihre Arbeit, insbesondere überprüfen sie längst approbierte Arbeiten, was ich nicht übernehmen will und werde.
((c) Abb. “Facepalm” von Brendon Grasley @Flickr)
Von Studierenden kommt manchmal Folgendes:
5) „Meine Betreuenden meinten, ich müsse xx (beliebige Zahl hier einsetzen) Zitate in meine Abschlussarbeit einbauen, damit ich wirklich wissenschaftlich arbeite.“
Eine irreführende Empfehlung! Manche Hochschulen bzw. Institute haben solche Richtlinien, um Studierende anzuhalten für ihre Abschlussarbeiten ein Minimum an Literatur zu erarbeitet und zu verwenden. Dass es damit wissenschaftlicher werden würde, ist allerdings nicht garantiert!
Ich bin der Ansicht, dass ein paar wenige aber sehr gut ausgewählte Zitate, mit denen man nutzbringend argumentiert (und natürlich auch formell korrekt zitiert), immer noch besser sind, als viele krampfhaft zusammengeklaubte, um die „Quote“ zu erfüllen.
6) „Ja, diese Abbildung habe ich gezeichnet … also abgezeichnet. Darum muss ich sie nicht zitieren, weil es ja meine ist.“
Das stimmt NICHT! Bitte auch nachgemachte Zeichnungen usw. mit dem Verweis „Abbildung (zitiert) nach …“ oder Ähnlichem kennzeichnen! Sollten Sie daran etwas abgeändert haben, müssen Sie auch das festhalten (z. B.: „Abbildung verändert nach …“). Das Konzept des Eigentums (auch wenn „geistiges Eigentum“ umstritten ist) ist hier nicht anwendbar, da die Idee bzw. die Ausführung schon jemand anderes hatte und Sie nichts mehr Relevantes/kaum Neues beitragen.
Und auch Lehrende meinen manchmal:
7) „Ist doch ganz einfach mit diesen Plagiaten – man muss alles zitieren, was man verwendet. Das müsste doch schon Studierenden im 1. Semester einleuchten!
Stimmt, wenn es wirklich sooo einfach wäre, würde es auch schon jede/r gerafft haben! Dann bräuchte es aber auch keine Lehrenden mehr und keine Seminare für wissenschaftlich Arbeiten, oder? Tatsache ist, dass es nun einmal nicht so einfach ist.
Das Wörtchen „alles“ ist schon in sich irreführend, als a) nur alles für mein exaktes Thema Relevantes und b) das ich in meinem Text aktiv anspreche und verwende (also nicht unbedingt Hintergrundinfos und -literatur) zu zitieren sind … NICHT jedoch Allgemeinwissen und schon gar nicht ALLE Zitate, die genau diese Aussage treffen (den Fehler habe ich als junge Studentin gemacht, weil es mich komplett irritiert hat, wen von den vielen ich nun verwenden sollte)!
Was das Allgemeine ist, ist vielen Studierenden nicht klar (Lehrende müssen das für jedes Fach gezielt besprechen und ein paar Beispiele bringen, was sie als zitierfähig UND als zitierwürdig oder eben nicht, ansehen!). Auch die formell korrekte Übernahme von Texten/Inhalten per Paraphrase nicht trivial, auch das muss aktiv geübt werden können, bevor es an die Abschlussarbeit geht. Und genau das passiert viel zu oft nicht oder nicht unter Anleitung.
8) „Noch so ein Zeugs, das mir aufgezwungen wird zu verwenden! Plagiatsprüfprogramme, pft! Ich weiss selbst, wann Studierende gute oder schlechte Arbeiten abgeben – solche Software braucht kein Mensch!“
Ach, wissen Sie – ich sehe diese Dinger auch nicht als Allheilmittel an, obwohl ich mich damit auskenne und sie täglich verwende … oder vielleicht genau deshalb. Ich halte aber auch genau so wenig davon Lehrenden (meist wirklich gezwungenermassen) ins Handwerk zu pfuschen und kostbare Zeit zu rauben, indem Sie die Programme verwenden müssen, „weil man das jetzt braucht“. Plagiatsprüfprogramme braucht tatsächlich kein Mensch, aber wenn es sie schon an Ihrer Schule/Ihrem Institut gibt kann man sie auch ganz gut nutzen.
Sehen Sie als Lehrende diese Programme, wenn Sie sie schon verwenden müssen, einfach als kleine Lupe in Textstrukturen an, die Sie für zusätzliche Stichproben verwenden können(!): Arbeiten, die Ihnen Ihrer professionellen Meinung nach ohnedies gut gefallen und ordentlich erscheinen, müssen Sie ja nicht noch in aller Ausführlichkeit plagiatsprüfen. Aber für alle, bei denen Sie ein ungutes Gefühl beschleichen sollte, riskieren Sie einen genaueren Blick mit der Software. Das dauert dann alles auch nicht zu lange!
9) „Was gefällt Ihnen mehr – Plagiate zu finden oder keine zu finden?!“
Urgh, immer ein schreckliche Frage für mich! Mir gefällt meine Arbeit – SchülerInnen und Studierenden durch Plagiatsprüfungen zu unterstützen, Lehrende weiterzubilden und Bücher zu schreiben – ausgesprochen gut! Plagiatsprüfungen sind zum Einen nur ein kleiner Teil meiner Tätigkeit und andererseits meiner Auffassung nach (siehe oben) ohnehin nur ein(!) Hilfsmittel, das man im universitären Bereich verwenden kann(!). Sie wurden ursprünglich zur Unterstützung der Schreibdidaktik entwickelt und auch genau dafür bestens geeignet, aber ein Muss sind sie bestimmt nicht.
Wenn ich sie für KundInnen verwende, überkommt mich so etwas wie ein „reverser Jagdtrieb“ – ich hoffe inständigst so wenig Problemstellen wie möglich zu finden (Plagiate finden die Programme ohnehin nicht, siehe auch oben)! Wenn doch, kann ich aber gut weiterhelfen und schreiberische Probleme abwenden bevor sie negative Folgen haben.
Und nicht zuletzt auch noch ein Spruch, den ich unter PlagiatskollegInnen immer wieder einmal höre und den ich irgendwie nicht mehr fassen kann:
10) „Eigentlich müssten wir erst mal definieren was ein Plagiat genau ist …“
Natürlich ist es nicht zu 100% genau zu definieren was dieses Unwort genau ist und das irritiert, verständlich. Für fast jedes Fachgebiet bestehen andere Richtlinien mit und Bedürfnisse an Zitate. Und dennoch, bitte, könnten wir uns nicht alle zusammen endlich einmal auf das Schreiben an Hochschulen, die Literaturarbeit und all die Dinge konzentrieren, die Studis verstehen sollten (z. B. welche Funktionen Zitate in Texten haben können, siehe auch oben), um gute Text zu machen, als immer wieder dort zu beginnen, wo sie es schon versemmelt haben und Kategorienreiterei zu betreiben, um das „Übel“ einzusortieren?!
Nicht allzu ernst nehmen
Wenn Sie sich nun auf den Schlips getreten fühlen sollten, weil Sie den einen oder anderen Ausspruch auch schon auf den Lippen hatten oder noch nicht wissen, was es damit auf sich hat, tut es mir leid. Aber – bitte nicht alles allzu ernst nehmen, das Thema ist schwierig genug!
Ja, diese Sprüche höre ich zwar häufig und ja, sie sind teilweise haarsträubend falsch oder irregeführt. Aber es ist KEIN Problem – informieren Sie sich einfach nochmals genauer, hinterfragen Sie regelmässig, probieren Sie mal was aus!
Mein Blog im Speziellen ist für die „Aufklärung“ von Laien zum Thema Plagiatsvermeidung und -prüfung da … und ich sehe ohnedies alles mit einem gewissen Augenzwinkern! 😉 In diesem Sinne: wenn Sie Fragen zu meinen Spezialthemen haben sollten, scheuen Sie sich nicht zu fragen anstatt im „eigenen Saft“ (i.e. in Ihren Vermutungen) zu schwimmen.