Schreib mir meine Arbeit! – Akademische Ghostwriter und ihr Geschäft mit Abschlüssen (Teil 1/2)

Wir sagen, sie zerstören Karrieren, wenn es herauskommt, dass jemand so eine Arbeit abgegeben hat. Sie sagen, es ist doch nur ein Text und sie haben doch eh dazu erwähnt, dass man das nur als „Beispiel“ verwenden soll, rechtlich haben wir nichts gegen sie in der Hand.

 

Wir sagen, Ghostwriter sind amoralisch und untergraben unser Hochschulsystem. Sie sagen, räumt zuerst mit allen anderen höchst amoralischen und schädlichen Dingen in unserem Land (geldgierige Banken, extrem hohe Managergehälter, Lohnschere der Frauen, usw.) auf, dann kann man nochmal darüber reden.

 

Wir sagen, Ghostwriter fördern eine falsche Elite einiger reicher Kids, die dann (siehe T. zu Guttenberg in Deutschland, bei dem man vermutet (hat), seine Dissertation sei nicht nur plagiiert sondern auch von einem Ghostwriter verfasst worden) in hohen Positionen Inkompetenz sähen. Sie sagen – na und? Unser Problem, wenn wir keine anderen Wege mehr kennen wirkliche Kompetenz zu erkennen und alle doch nur titelgeil sind.

 

ghostwriter ~ 4
(Foto “ghostwriter ~ 4” von “striatic” @ Flickr)

 

Lieber Ghostwriter, schreib mir meine Arbeit!

Über Ghostwriter wird sehr viel diskutiert und geschrieben. Auch eine österreichische Studierendenzeitung („DURST“) brachte gerade einen langen Artikel über die Arbeit akademischer Ghostwriter und ihre Rechtfertigungen.

Obiges Argumentationsgeplänkel stellt meine Zusammenfassung einiger wichtiger Argumente für und gegen Ghostwriting im akademischen Umfeld dar. Weitere folgen im Artikel. Zwar äußern sich immer wieder Ghostwriter in den Medien zu ihrer Arbeit und drehen allen eine lange Nase, zeigen möchte man sich dennoch nicht so gerne.

Zu groß die Angst vor Strafen und Repressionen und besonders straf- wie auch studienrechtlicher Verfolgung der Auftraggeber. Was meiner Meinung nach bereits des Pudels Kern auf den Punkt bringt – Ghostwriter agieren ansich legal, die Auftraggeber allerdings nicht unbedingt, doch nur diese müssen mit sehr schwerwiegenden Konsequenzen rechnen!

 

Be-geisterte und be-geisternde Texte

Ich möchte hier nocheinmal ausdrücklich betonen – ich spreche nicht von Autobiographien und anderen Büchern für Promis und Reden für Politiker schreiben lassen o. ä. (siehe dazu auch meine beiden Filmkritiken zu “The Words” und “The Ghostwriter”)! Es geht mir ausschließlich im den Fall akademischen Mißbrauchs des Ghostwritings, da es sich anders als bei den genannten beiden Beispielen hier nicht einfach nur um das Tauschgeschäft von sprachlichem Talent und Geld handelt.

 

Das Pro …

Die „Wieso nicht?“-Kategorie beginnt zunächst mit einer grundsätzlichen Feststellung: fairer Weise sei gesagt – Ghostwriter gab es auch im akademischen Umfeld schon immer! Dieses Phänomen ist sicherlich kein ganz neues, nur, so präsent wie heute waren die akademischen Ghostwriter allerdings Internet sei dank noch nie.

Warum ist/wird man Ghostwriter? Die Vorteile liegen klingenlnd auf der Hand: Geld! Genaue Zahlen sind natürlich nicht bekannt, doch aus einigen Interviews mit Ghostwritern weiß man, dass je nach Länge und Fachgebiet 10.000 Euro bis sogar zu 100.000 Euro für Dissertationen fällig werden können.

Andere Arbeiten kosten laut Interviews im „DURST“-Magazin circa 60 Euro je Seite, als Mittelwerte nennt „Die Zeit“ in einem Artikel im August 2012 circa 20 bis 35 Euro pro Seite (beide Quellenangaben – siehe unten!). Ein mitunter enorm lukratives Geschäft!

Ghosts
(Foto “Ghosts” von Fillmore Photography @ Flickr)

 

Dann gibt es da noch ein paar Argumente, die mir zum Teil nicht so leicht begreiflich sind:

  • Solange es nicht illegal, wird es auch gemacht. Siehe dazu auch das Zitat von einem der Ghostwriting-Agenturchefs: “Der Markt ist da, und mache nicht ich das Geschäft, dann machen es andere.“. Der Markt für professionelle Texter in anderen Bereichen sieht im Vergleich zur Wissenschaftsbranche nämlich alles andere als rosig aus. Auch Lektoren in Verlagshäusern werden zunehmend abgebaut. Wieso also das Fach nicht behalten aber die Branche wechseln?
  • Von Ghostwritern hört man ebenfalls sehr häufig „Ich kann es halt, darum verkaufe ich meine Texte“, im Sinne von „man kann mir ja nichts“ und auch im Sinne von „ich bin begabt genug“. Laut Zeit-Artikel (“Wir lassen uns das Ghostwriting nicht verbieten”, link siehe unten) sind viele Hochschul-Assistenten unter den Ghostwritern, also durchaus Menschen, die fachlich durchaus wissen worüber sie da schreiben.
  • Angeblich machen es viele Akademikerinnen in Heimarbeit. Allgemein steht zu befürchten, dass diese Branche sich auch durch die höhere AkademikerInnen-Arbeitslosenrate speist.
  • Manche Ghostwriter bezeichnen sich selbst als Wissenschaftsberater, wobei die „Beratungsleistung“ nur darin besteht einen fertigen wissenschaftlichen Text zu liefern.

 

Warum bestellt man überhaupt Texte bei Ghostwritern?

Auch bei der Auftraggeberseite ist der Hauptvorteil klar ersichtlich: durch Auslagerung spart man sich sehr sehr viel Arbeit! Ja wäre es nicht eine Abschlussarbeit und somit ein Leistungsbeweis der besonderen Art, es wäre vollkommen verständlich sich dies bei genügend Cash (siehe oben) NICHT selbst antun zu müssen. Eine Diplomarbeit oder Dissertation zu verfassen kann einen zeitweise schon zur Verzweiflung treiben – ich spreche aus Erfahrung!

Meiner Meinung nach darf man bei diesem Thema nicht vergessen, dass diese fremdgeschriebenen Texte auf den ersten Blick meist qualitativ gehaltvoll genug erscheinen, um häufig ohne große Probleme akzeptiert und approbiert zu werden! Lange vorbei die Klagen, das sei doch nur zusammengepantschtes und plagiiertes Zeugs. Oh nein!

 

Häufig sind die nachfolgenden Argumente viel eher die Werbemaßnahmen und Verkaufsargumente der Ghostwriter selbst, doch manches weiß man auch von aufgeflogenen Akademikern (übrigens in der Mehrzahl tatsächlich Männer!):

  • Vielen scheint der enorme Aufwand für Abschlussarbeiten abzuschrecken, karrieretechnisch können sie aber nicht anders, als das Studium um jeden Preis zu beenden. Auch zu Guttenberg sprach von zu viel Stress im Hauptjob.
  • Angelastet werden Menschen wie zu Guttenberg, dass sie karriere- und titelgeil seien und ihnen jegliche Moral abhanden gekommen sei.
  • Man hätte eine schwere Schreibblockade gehabt und ohne die Unterstützung eines Ghostwriters das Studium wahrscheinlich ganz geschmissen.
  • Die Ghostwriter arbeiten mittlerweile schon sehr professionell (siehe oben), plagiatsprüfen ihre Werke meist sogar freiwillig, sodaß man als Auftraggeber kaum Sorge haben muss damit gleich aufzufliegen.

 

In Teil 2 dieser Blogserie zu Ghostwriting erfahren Sie wichtige Gegenargumente, warum dies eine für die Wissenschaftswelt gefährliche Profession ist und warum sie aber zum Teil auch selbst daran Schuld ist, dass es sie gibt!

 

Weiterführende Artikel/Quellenangaben

Artikel „Vgl. Ghostwriter“ („DURST“-Magazin, 1 (Sommersemsester)/2014, S. 20/21).

„Leistungsgesellschaft ist ein Mythos“ (Kurier, 22.2.2014, http://kurier.at/chronik/oberoesterreich/jku-professor-leistungsgesellschaft-ist-mythos/52.593.599).

„Why I write for an essay mill “ (Times Higher Education, 1.8.2013, http://www.timeshighereducation.co.uk/comment/opinion/why-i-write-for-an-essay-mill/2006074.article).

„Ich verhelfe Nieten zum Karriereschub” („Karriere Spiegel“, 13.2.2013, http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/ghostwriter-doktorarbeiten-fuer-intellektuelle-nieten-a-883008.html).

„Als ich einmal Ghostwriter war“ (FAZ, 8.2.2013, http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/doktorarbeiten-als-ich-einmal-ghostwriter-war-12054417.html).

„Wir lassen uns das Ghostwriting nicht verbieten” („Die Zeit“, 9.8.2012, http://www.zeit.de/studium/uni-leben/2012-08/ghostwriting-agentur-kritik/komplettansicht).

„Aktuelles zur akademischen Ghostwriter-Branche“ (ghostwriter.nu, 5.4.2012,  http://www.ghostwriter.nu/akademisches-ghostwriting/akademische-ghostwriter-branche-aktuell).

„Tipps vom Ghostwriter“ („Zeit Campus“, 4/2011,  http://www.zeit.de/campus/2011/04/service-ghostwriter/komplettansicht).

„Interview mit einem Jenaer Ghostwriter“ (jenapolis.de, 11.4.2011, http://www.jenapolis.de/2011/04/11/interview-mit-einem-jenaer-ghostwriter).

„Manche sagen: Was Ihr mir schreibt, ist mir egal“ (FAZ, 26.2.2011, http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/ein-ghostwriter-im-interview-manche-sagen-was-ihr-mir-schreibt-ist-mir-egal-1590048.html).

„Der Markt für Ghostwriter boomt: Geschäfte aus Geisterhand“ („Der Standard“, 21.2.2011, http://derstandard.at/1297818583647/Der-Markt-fuer-Ghostwriter-boomt-Geschaefte-aus-Geisterhand).

 

 

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(Artikel von Natascha Miljković, 7. März 2014; letztes Update: 7. September 2014)

 

© aller Texte: Dr.in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2014.
© Abbildungen: wie angegeben.

 

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About Dr. Natascha Miljkovic

Inhaberin der Firma Zitier-Weise, Agentur für Plagiatprävention. Naturwissenschafterin mit viel Auslandsforschungserfahrung, Wissenschaftsberaterin und präventive Plagiatsprüferin. Berät Bildungseinrichtungen zum Themenkreis akademische Unredlichkeit und unterrichtet, wie man diese (z. B. Plagiate) nachhaltig vermeiden kann. Auch an allen anderen Themen in, um und durch Forschung und Bildungseinrichtungen interessiert.

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