Nicht alles, was WissenschafterInnen im Labor oder am Schreibtisch, im Hörsaal oder bei Konferenzen machen, ist per se Wissenschaft. Wie Sie alle zur Genüge (und wahrscheinlich auch leidvoll) wissen, kommen auch administrative Tätigkeiten, Lehre, Recherche, MitarbeiterInnenbesprechungen und vieles ander mehr hinzu. Vielerorts hat sich als Sammelbegriff für all das, was an Hochschulen oder im Rahmen einer wissenschaftlichen oder lehrenden Tätigkeit durchgeführt werden muss, „akademisch“ etabliert.
Same same? Mitnichten! Eine klarere Unterscheidung zwischen akademisch und wissenschaftlich empfiehlt sich in vielerlei Hinsicht.
Akademische Unredlichkeiten im Überblick
Auch für eine hinreichend gründliche Diskussion zu Unredlichkeiten im Hochschulbereich, muss man künftig mehr Sprachgenauigkeit walten lassen. Doch, was ist denn eigentlich was?
Zu den akademischen Unredlichkeiten zählen vor allem Vergehen von Studierenden wie zum Beispiel:
- Falsche Angaben bei Bewerbung an Hochschulen machen (wiegt natürlich im US-amerikanischen Hochschulsystem und bei privaten Institutionen schwerer als an öffentlichen Hochschulen, da ihre Auswahlverfahren lange und teuer sind und auf diese Art unfair umgangen und sich ein Studienplatz erschummelt wird)
- Bei Prüfungen als jemand anderer ausgeben (engl.: identity fraud, bei reinen Online-Kursen derzeit noch eine größere Herausforderung wie man das genau feststellen kann, wer genau nun online eine Prüfung macht)
- Schummelzettel bei Prüfungen verwenden (der Klassiker, in Anbetracht der zahlreichen anderen Vergehen in den Aufzählungen in diesem Beitrag wirkt ein „Spicker“ schon fast harmlos)
- Unerwünschte Zusammenarbeit für Hausarbeiten (engl.: collusion; 2014 kam das an der Harvard University vor, damals wurden rund 120 Studierende verdächtigt plagiiert zu haben, dabei haben sie „nur“ die Arbeitsanleitungen gemeinsam bearbeitet, es war ihnen nicht klar, dass es keine Gruppenübung sein sollte)
- Neue Sonderform „Social Media Collusion“ (Studierende arbeiten unerlaubterweise per WhatsApp oder „Social-Media-Plattformen für Prüfungen zusammen)
Diese Vergehen sind nach den jeweiligen Prüfungsordnungen zu ahnden, meist bleibt es bei einer Rüge, je nach Art und Schwere des Vergehens kann man auch eine negative Note dafür ausfassen oder in extremen Fällen für ein Semester ausgeschlossen werden.
Bei Lehrenden bzw. Forschenden werden die akademischen Vergehen insofern kritischer, als hier andere Rechte auch betroffen sein könnten (z. B. das Arbeitsrecht, wenn man als AngestellteR einer Hochschule kriminelle Machenschaften anzettelt bzw. MitarbeiterInnen unfair behandelt oder entlohnt).
(Abb.: “cheating” von Ini Budi Setiawan @Flickr)
Bei WissenschafterInnen zählt man zum Beispiel die folgenden akademischen Unredlichkeiten hinzu:
- Fördergelder missbräuchlich verwenden (wird durch mehr Bürokratie seitens der FördergeberInnen eingedämmt, kommt aber leider dennoch immer wieder vor, dass zum Beispiel private Anschaffungen und Reisen über das Projektkonto abgerechnet werden)
- Betreuungssituation ausnutzen (es sind leider keine Einzelfälle, dass Studierende als „ArbeitssklavInnen“ herhalten müssen, weibliche Studierende sexuell belästigt werden, usw.)
- Nepotismus walten lassen (die gute alte „Freunderlwirtschaft“, basiert eine Anstellung oder eine Projektvergabe hauptsächlich auf verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen zu den ProfessorInnen, ist es ein wenig zu viel des Guten mit dem „Vitamin B“ gewesen)
- Diverse Interessenskonflikte (engl.: conflicts of interest; beispielsweise bei Kooperationen mit Firmen, auch das soll durch diverse Regelwerke und letztlich wieder mehr Regelwerke und Bürokratie eingedämmt werden)
Wissenschaftliche Unredlichkeiten
Diese zweite Gruppe von Unredlichkeiten, die direkt beim wissenschaftlich Arbeiten begangen werden können, beginnt mit zwei „alten Bekannten“ dieses Blogs:
- Plagiate (in Abschlussarbeiten, Publikationen und Forschungsanträgen!)
- Akademisches Ghostwriting (Just don’t do it!)
- Datenfälschung (unredliches Erfinden, Manipulieren und Weglassen von Daten, sofern das nicht mehr mit gängigen statistischen Notwendigkeiten argumentierbar ist)
- Schlechtes Datenmanagement (die Primärdaten sind nicht hinreichend gesichert, der Erhalt und die Auslesbarkeit der Daten ist langfristig ungeklärt)
- Abbildungen und andere Inhalte Dritter unrechtmässig verwenden (für die Lehre gilt zwar das Zitatrecht, doch die Verbreitung von Unterlagen mit den Inhalten Dritter darin ist unter Umständen nicht dadurch gesichert, ebensowenig, wenn man ein Manuskript (zum Beispiel eine Doktorarbeit, ein Vorlesungsskript) verkaufen möchte, also dem kommerziellen Bereich zuführt)
Diese erstgenannten können sowohl von Studierenden wie auch Forschenden begangen werden. Die nachfolgenen Vergehen beziehen sich ausschließlich auf die Arbeit von ForscherInnen ab dem Doktoranden-Level aufwärts:
- Falsche oder fehlende AutorInnenschaften (zum Beispiel „EhrenautorInnen“ oder „ghost authors“ anführen, also Personen, die nichts mit der Erarbeitung der Publikation zu tun hatten (z. B. die Institutsleitung) oder jemanden erfinden bzw. ohne deren Wissen nennen)
- „Salami-Publikationen“ (ab einem gewissen Grad an „Recycling“ und tausenden unterschiedlichen Blickwinkeln ist eine Studie „ausgelutscht“ und der Neuigkeitswert für die Wissenschaften einfach nicht mehr zur Genüge gegeben, man macht dennoch immer noch „neue“ Publikationen um zu mehr Impact zu kommen; der Peer-Review-Prozess der wissenschaftlichen Journale wird vieles davon eindämmen)
- Ideen und Datenklau durch ReviewerInnen (sehr perfide, leider nicht ganz selten)
- Zitier- und Review-Kartelle (siehe „Freunderlwirtschaft“ nur auf Reviews bezogen, ganz nach dem Motto „schreibst Du mir eine gute Review zitier ich dich in den nächsten 5 Publikationen“ oder dergleichen, Sinn ist das Pushen der Impacts der WissenschafterInnen)
- Sabotage von Forschungsanordnungen anderer (eine der scheußlichsten Formen von Fehlverhalten, zum Beispiel werden Proben verunreinigt, Geräte versteckt, Daten gelöscht, usw.)
Wir müssen reden!
Diese Einteilungen sind teils willkürlich – manche zählen das eine hierzu, das andere dazu. Grundsätzlich spiegelt diese hier meine eigenen Erfahrungen als Science Counsellor und die Beschreibungen vieler vor allem amerikanischer GelehrtInnen in diesem Bereich wider.
Aber es ist gar nicht weiter schlimm, dass es keine Kategorien gibt und nicht alles so ganz glasklar ist! Sie dürfen und Sie müssen sogar unbedingt darüber reden! Denn vermeiden kann man solche Dinge NUR indem man mit den FachkollegInnen immer wieder auch einmal darüber diskutiert, wie man damit umgehen möchte.
Andererseits gäbe es weniger Ängste (vor allem von Seiten der Studierenden) und transparentere Abläufe, wenn man an Hochschulen, wenn man sich trauen würde, eine Aufstellung zu machen, was man unter welchen Unredlichhkeiten versteht, was man von Studierenden und Angestellten will/nicht will, wer zuständig ist, welche Konsequenzen hageln, usw. Also so etwas wie ein “Code of Conduct”, der auch langsam in Europa Einzug hält.
Das undifferenzierte alles über einen Kamm scheren der verschiedenen Unredlichkeiten, ungeachtet ihrer Schwere und Auswirkungen, könnte hingegen ungeahnt schlechte Folgen haben. Das befürchten vor allem VertreterInnen von australischen Hochschulen, wie „Retraction Watch“ berichtet. Eine Gruppierung möchte den Begriff Unredlichkeit (misconduct) völlig abschaffen, die GegnerInnen halten vom Eingeleveln gar nichts und befürchten, dass die schwereren Vergehen dann zu zaghaft geahndet würden.
Hauptsache es wird darüber geredet (die australische Diskussion läuft übrigens nun schon seit 10 Jahren)! WissenschafterInnen müssen die Grenzen ihrer Fächer ausloten und mitbestimmen können, sonst steht man sich selbst und dem Fortschritt im Wege.
Ihr Wunschkonzertwunsch werde mein Blogbeitrag
Übrigens: Möchten Sie zu einer der genannten Unredlichkeiten mehr wissen? Wundern Sie sich, was es da sonst noch so alles gibt? Geben Sie mir Bescheid, dann erstelle ich gerne einen Blogartikel dazu – ich freue mich auf Ihre Anregungen!
Artikel von Natascha Miljković, 29.03.2017
© aller Texte: Dr. in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2017.
© Abbildungen: wie angegeben.
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