„Against Plagiarism. A Guide for Editors and Authors“ von Yuehong (Helen) Zhang ist bei Springer in der Reihe „Qualitative and Quantitative Analysis of Scientific and Scholary Communication“ erschienen. Wie der Titel schon sagt, betrachtet dieses Buch die „Geisel Plagiat“ einmal nicht aus Hochschulsicht, sondern von Seiten der Wissenschafterinnen und Wissenschafter, die in Journalen die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeiten einreichen und der dort zuständigen EditorInnen.
(Abb.: Cover des vorgestellten Buches von Y. H. Zhang; (c) Springer Verlag)
Der Einstieg in die Materie
Da meine erste fachliche Sommerlektüre 2017 verspricht, mit praktischen Hilfestellungen gegen Plagiarismus aufzuwarten, bin ich reichlich nervös und sehe dem Unterfangen Rezension freudig entgegen. Die ersten, einleitenden Zeilen (der Editorin Sally Morris) lesen sich klar und einfach: Plagiarismus ist Diebstahl und Betrug, auch wenn der Text oder andere Elemente aus eigenen zuvor publizierten Werken stammen (Selbstplagiarismus). Wer mehr als ein paar Zeilen kopiert ohne entsprechende Angaben zu machen, könnte sich auch am Urheberrecht vergehen. Das Problem ist alt, aber Schuld ist heute natürlich das Internet, das kopieren so viel einfacher macht.
Starkes Stück! Nur – wenn denn alles so klar und einfach ist, wieso sind wir dann immer noch nicht besonders weit gekommen in Sachen Plagiatsprävention?! Das frage ich mich jetzt und erwarte Aufklärung dazu in diesem Buch zu finden. Nur bis zum vierten Absatz dauert es dann noch, bis die leidige Textabgleichssoftware („Plagiatsprüfsoftware“) erwähnt wird, allerdings erfreulicherweise mit den Hinweisen, dass die Software nicht jede Form von Betrug finden kann, noch alle je erschienenen Texte als Vergleichsmaterialien vorliegen hat, und man sich daher nicht blind darauf verlassen sollte. Extrem wichtige Ergänzungen!
Auch wenn ich bereits sieben Jahre in diesem Bereich der akademischen Unredlichkeiten und der Wissenschaftsethik tätig bin, so war mir bis dato die chinesische Autorin, die als Editorin eines Journals und Forscherin in Sachen Plagiat tätig ist, völlig unbekannt. Umso mehr begrüße ich es, dass sie gewonnen werden konnte, dieses Buch englischsprachig herauszugeben, um es einem größeren LeserInnenkreis zugänglich zu machen!
Die Gliederung des Sachbuchs
Das vorgestellte Buch „Against Plagiarism“ gliedert sich in 3 Großkapitel: I) General Plagiarism Issues, II) Disciplin-specific plagiarism issues und III) What to do about it.
Großkapitel I) besteht aus den Kapiteln 1) „What is plagiarism?“, 2) „Differences between anglophone and non-anglophone journals“, 3) „Publishing in more than one language“ und 4) „How not to deal with it: A case study“.
Großkapitel II) gliedert sich in 5) „Biosciences: Replication of methods sections: What is the problem?“ und 6) „Computing and Electrical and Electronic Engineering: Republication of conference papers“.
Großkapitel III) beinhaltet die Kapitel 7) „Promoting Awareness of Publication Ethics“, 8) „Avoiding plagiarism as an author“, 9) „Detecting potential plagiarism“, 10) „Dealing with plagiarism as an editor“ und 11) „Concluding Remarks: The future of Plagiarism“.
Die präsentierte Gliederung scheint jedenfalls sehr fokussiert und gut durchdacht. Die Beispiele aus der Praxis der Autorin reizen mich näher zu erkunden!
Nicht-Englisch-ErstsprachlerInnen straucheln
Interessant ist die Feststellung der Autorin (S. 6 [die in diesem Beitrag angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf das E-Book]), dass Menschen, die ohne Englisch als Erstsprache, Phrasen und Formulierungen aus englischen Artikeln kopieren würden, um so besser Englisch publizieren zu können, zwar verständlich agieren, sie das dennoch nicht gutheißen würde. Als eine Fachkraft, die selbst Academic English unterrichtet, weiß ich, dass es hier viele widersprechende Ansichten gibt, was das Imitieren betrifft. Ich finde es in einem überschaubaren Rahmen unbedenklich, solange die Phrasen nicht inhaltliche Übernahmen sind und strikt dem besseren Aufbau der Argumentation nutzen. Nicht so berauschend hingegen finde ich, dass eine „Plagiatsforscherin“ anscheinend meint, das sei gleich schlimm wie inhaltliche Übernahmen!
Bei der Plagiatsprävention kommt es meiner Ansicht nach nicht auf Stilistisches an! Wie in anderen Publikationen auch, wird der Konflikt der Lehrenden und Studierenden hier nicht herausgearbeitet. Wo genau liegt das Problem? 1) Imitation, Kopieren, Nachmachen ist nicht per se schlecht. Es ist ganz im Gegenteil unsere erste Lernart als Kleinkinder. Und 2) nur weil man an eine schlechte Paraphrase dann eine korrekte Zitation setzt, ist es noch lange nicht korrekt!
Sehr wichtig ist hingegen der Hinweis, dass in vielen Kulturen das Kopieren an sich eine Ehrerbietung ist (S. 7), in der chinesischen Kultur wird es traditionsgemäß sogar als Lernform geschätzt (nach dem Motto „Von den Besten lernen“). Dieser Fakt wird oft zu wenig beachtet, wenn über Plagiatsprävention für internationale Studierende gesprochen wird.
Ich werde mit dem Text nicht warm
Leider wird die Prüfsoftsware zwar als nicht hundert Prozent verlässlich angekündigt, dann allerdings doch – besonders CrossRef von den MacherInnen von TurnitIn – sehr gelobt (u. a. S. 8). Seltsame Begriffsverwendung bzw. -schöpfungen, wenn es doch dafür ohnehin sogar international weit verbreitete Begriffe gibt (z. B. „plagiarism and other authorial misconduct“, es nennt sich aber academic misconduct und da irgendwie alles davon vor dem Publizieren stattfinden kann ist es immer auch „authorial“ also von AutorInnen verbrochen) irritieren mich zu Beginn außerdem.
Auch auf welche Art von „Expertenquellen“ zurückgegriffen wird – seit wann sind die Websites(!) der Oxford University die Instanz für Plagiarismusformen, geschweige denn iThenticate (S. 9)? Da hätte es wirklich sehr gelohnt für die (wohl reichlich gebildeten) Lesenden doch noch mehr „echte“ Publikationen dazu anzuführen oder gleich sich nur auf die eigene Liste basierend auf den Erfahrungen mit dem eigenen Journal. In Kapitel 2 wird gleich ein eigener alter Artikel schlicht hinein reproduziert. Was?!
Wo ist der rote Faden?!
Ich stehe im Regen, der Text bietet stellenweise gut und knapp zusammengefasste Informationen und ist leidlich interessant. Dennoch kann ich keinen roten Faden erkennen. Wirklich störend wirken die „Werbeeinschaltungen“ für CrossRef, bei der Präsentation der im Artikel beschriebenen Umfrage, wird auch klar warum. Hätte man zu Anfang schon sagen können, dass das eines der Unterscheidungskriterien war, ob die befragten EditorInnen irgendeine Form von Plagiatsprävention machen. Generell halte ich so eine Recycling-Lösung für ungünstig, noch dazu in einem Buch über Plagiate in Publikationen! Eine Zusammenfassung der – wie es scheint leider doch sehr dünnen(?) – Ergebnisse, hätte hier völlig ausgereicht.
Ab Kapitel 3 (S. 38ff.) wird es zunehmend interessanter: Stellt eine bereits veröffentlichte Publikation in einer anderen Sprache zu veröffentlichen einen akademischen Fehltritt dar? Bislang war mir nicht bekannt, dass es mit Duplikaten ausgeprägte Probleme gäbe. Ich nahm an, dass das die Vorschriften der einzelnen Journale ohnedies klären würden, welche Texte man annimmt und was man mit der eigenen Publikation im Anschluss noch machen darf. Anscheinend lag ich hier falsch, denn die Autorin gibt mehrere Tipps, wie hier mehr Transparenz zu erreichen sei.
Endlich kritischer!
Kapitel 4 (ab S. 45) könnte mich versöhnen! Die Ankündigung: Anhand einer Case Study zeigt die Autorin auf, wie man Plagiarismus OHNE Software dennoch findet und was man dagegen machen kann. Now we’re talking! Das ist wirklich wichtig … Wenn nicht wieder nur eine bereits publizierte Schreibe (diesmal mit Interview) aufgewärmt werden würde.
Die Case Study passiert so wahrscheinlich gar nicht mal selten: Ein Autor aus dem Fachbereich Ingenieurwesen sieht einen Artikel, der ihn sehr an einen seiner Artikel ein paar Jahre zuvor erinnert. Er wendet sich an sein Journal und weist darauf hin, dass hier was faul sein könnte. Der Editor wimmelt ab, alles ok, nicht wert sich damit zu befassen. Er solle bei Journal 2 nachfragen. Auch hier wimmelt der Editor ab, er solle doch den Autor fragen. Selbst bei Hinweis des ursprünglichen Autors, es stehe doch in den Statuten seines Journals, dass der Editor verantwortlich ist, sieht der keine Notwendigkeit sich zu kümmern. Autor 2 ist nett aber wird zunehmend abweisen, als er erkennt, dass sein möglicher (Übersetzungs-)Plagiarismus aufgeflogen ist. Meint nur, das ursprüngliche Werk sei ja eh einmal (falsch geschrieben aber immerhin) zitiert worden. Da wendet sich der erste Autor schließlich an die Spezialistin, die Verfasserin des Buches.
Das Problem bei allen Fachbereichen, die viel mit Tabellen, Formeln und Grafiken zu arbeiten haben – diese Resultat- und Darstellungsformen können leider nicht per Plagiatssoftware überprüft werden, es sind ausschließlich Textanalyseprogramme. Es muss eine fachlich versierte Person entscheiden, was sich ähnelt. Was diese Case Study sehr schön aufzeigt, ist, dass anscheinend weltweit sich jeder an anderen abputzt und Zuständigkeiten grob vernachlässigt werden. Angesichts der Wichtigkeit der Impact Factors und des mittlerweile ja schon karrieremachenden Publikationszwangs eine Schande! Die Autorin empfiehlt dagegen internationale Publikations- und Ethikstandards für Journale und Schulungen für EditorInnen, was alles Plagiarismus sein kann.
Kapitel 5 und 6 zu spezifischen Publikationsproblemen in manchen Fächern (Methodenteil in naturwissenschaftlichen Artikeln kopieren und Duplikation von Konferenzbeiträgen in Ingenieur- und Elektrotechnikfächern) sind gut gelungen. Diese Thematiken werden meist nicht weiter diskutiert.
Auf zum Eingemachten in Großkapitel III)
Was kann man gegen diese intransparenten oder schlicht nicht vorhandenen Publikationspraktiken und gegen Plagiarismus tun? Sehr wichtig ist die Feststellung der Autorin, dass es viele Richtlinien und auch Gesetze gegen Unredlichkeit gibt, doch nichts ist so wichtig, wie die Aufklärung und Weiterbildung darüber (Kapitel 7 ab S. 98). Und zwar schon ab Eintritt in die Schule und danach regelmäßig! EditorInnen oder solchen, die es werden wollen, sei die in diesem Buch zitierte Grafik zu empfehlen, welche Schritte man bei verdächtigen Artikeln unternehmen kann (zu finden auf S. 121f. und unter http://publicationethics.org/resources/flowcharts). Sehr gut!
Mein persönliches Fazit zu diesem Buch
Warum sich die Autorin bzw. die HerausgeberInnen die tolle Chance auf ein richtig packendes Vorwort zum Thema eines bekannten oder gewichtigen Menschen (z. B. von besagtem „Nature“-Herausgeber, der der Autorin wie später geschildert wird) nicht realisiert haben, ist mir schleierhaft. Die Erläuterung der Autorin rund um das Wie zum Buch wirken auf mich etwas rührselig und klingen nach „Ich konnte ja nicht wissen, dass ich in ein Wespennest steche und dann die Hölle los ist“. Dazu Ausschnitte aus Award Reports über sie und ihre Forschungsgruppe? Naja, mir gefällt dieser Stil nicht.
Zum Inhalt ist zu sagen, dass die mehr als 16 Jahre Erfahrung als Chief Editor der Autorin deutlich zu erkennen sind! Leider wird mir bis zuletzt jedoch nicht klar, an welches Zielpublikum sich Zhang wendet: Für meinen Wissensstand zu akademischen Unredlichkeiten und andere ExpertInnen zu diesem Fachbereich erscheint es mir zu wenig gehaltvoll. Manche Argumentation ist eher dürftig und wenig nachvollziehbar, einiges andere erschien mir ohnedies lange stehende Praxis zu sein (zum Beispiel Tipp an neue AutorInnen immer anzugeben, wenn sie etwas schon in einer anderen Sprache publiziert hatten).
Spannend sind auch einige Teilergebnisse einer Studie, wonach manche Fachbereiche für manche Plagiatsformen mehr oder weniger Toleranz aufbringen als andere. SprachwissenschafterInnen finden wohl noch so manches interessante Detail in diesem Fachbuch! Für die Sensibilisierung würde ich Zhangs Buch auch an eher wenig informierte Peer ReviewerInnen weiterempfehlen.
Meiner Meinung nach das größte Manko dieses Buches sind die großteils fehlenden, an mehreren Stellen angekündigten praktischen Umsetzungen von Zhangs Beobachtungen. Auf den allerletzten Seiten stehen drei Schlagworte am Eingang zur Auflösung, was die Zukunft von Plagiaten (und Plagiatsprävention) ist: Ehrlichkeit, Transparenz und Verantwortung! Grundsätzlich sind Probleme im Publikationsbetrieb ein sehr spannendes Thema aber diese Umsetzung gefiel mir über weite Teile leider nicht besonders gut.
Ich danke dem Springer-Verlag für die Überlassung eines E-Books zu Rezensionszwecken! Meine oben dargestellten Ansichten sind davon völlig unbeeinflusst entstanden und ausschließlich meine persönliche wie berufliche Meinung zum präsentierten Werk.
Waschzettel zum Buch
„Against Plagiarism“
Yuehong (Helen) Zhang
Springer International Publishing
aus der Serie „Qualitative and Quantitative Analysis of Scientific and Scholarly Communication“
2016, 1. Auflage
ISBN (Hardcover): 978-3-319-24158-6
ISBN (E-Book): 978-3-319-24160-9
DOI: 10.1007/978-3-319-24160-9
Link zur Verlags-Website: http://www.springer.com/de/book/9783319241586
Artikel von Natascha Miljković, 6. Sept. 2017
© aller Texte: Dr. in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2017.
© Abbildungen: wie angegeben.
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