Aus der Reihe „Transparenz in der Wirtschaft(sic!)“ des Josef-Eul-Verlages stammt diese Sammlung von fünf exklusiven Artikeln zu Themen rund um Plagiate. Der Untertitel „Interdisziplinäre Lösungsansätze für die Korrekturpraxis an Universitäten und Fachhochschulen“ zeigt genauer, in welche Stoßrichtung dieser Band der JungwissenschafterInnen gehen soll. Den „Waschzettel“ zum Buch finden Sie auf der Verlags-Website!
Die gesamte Rezension können Sie auch als pdf herunterladen!
Markus GROTTKE (der neben Markus DILLER auch einer der beiden Herausgeber der Reihe ist) betont schon im ersten Absatz der Einleitung, dass die gehäuften Plagiatsskandale der letzten Jahre hauptsächlich dem Wissenschaftsbetrieb selbst anzulasten seien. Es mangle noch immer an Präventionsmaßnahmen, man würde lieber abschätzig auf einzelne Personen gezeigt. Grottke fordert stattdessen alle WissenschafterInnen auf sich aktiv für Vermeidung.
Eine sehr interessante Anmerkung macht der Herausgeber mit dem Kommentar darüber, dass aus dem ureigensten Sinn der Wissenschaft heraus neues Wissen zu schaffen sich automatisch ein Grund gegen Plagiate ergeben muss. Das Publizieren von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen dient vorwiegend dem transparenten Informationsfluss zwischen den Forschenden. Um das Zitieren besser zu verstehen, kann man sich auch dessen vier bedeutendste Funktionen besehen:
- archivieren
- reduzieren
- Vertrauen bildend und
- Freiheit erhalten
Artikel 1: „Vom magischen Plagiatsviereck zum Wettbewerb als Entdeckungsverfahren – Ökonomische Ansätze zur Erkennung und Bekämpfung von Plagiaten“ von Eduard BRAUN und Markus GROTTKE
Ausgehend von der Annahme, dass Plagiate zu verfassen irgendwelche Vorteile haben muss (dazu auch bei mir im BLOG einen Beitrag), analysieren die Autoren die tatsächliche Plagiatsgefahr. Abgeleitet aus der Korruptionsforschung bedienen sie sich hier des „magischen Plagiatsvierecks“ als beschreibender Form: Nutzen, Rechtfertigung, Gelegenheit und Kosten werden dabei gegeneinander aufgewogen. Eine wie ich finde durchwegs erfrischend neue Ansichtsweise und Beweis, dass Interdisziplinarität nur von Vorteil ist!
Besonders der Punkt Gelegenheit ist in der Plagiatspräventionsforschung (wie es im kürzlich hier ebenfalls rezensierten Buch von Weber-Wulff anklingt) von entscheidender Bedeutung und meiner Meinung nach auch viel wichtiger als die diversen Rechtfertigungen. In Unterkapitel 3.4 machen die Autoren dazu auch zahlreiche Vorschläge, wie dies zu bewerkstelligen sein könnte.
Zu kritisieren wäre hier, dass den Lesenden ständig das Gefühl beschleicht, förmlich beschleichen muss, Plagiate entstehen gewollt. Das ist so keinesfalls richtig, die allermeisten Plagiatsfälle sind eher unwissentlich!! Auch, wenn zahlreiche Befragungen von Studierenden „beweisen“, dass wahrscheinlich über 70% schon einmal bewusst geschummelt hätten oder schummeln. Leider wird hier nicht ausdrücklich festgestellt bzw. thematisiert.
Im Abschnitt über Kosten von Plagiaten (im Sinne von wie viel Aufwand sind ihre Erstellung – auch hier wieder mit der impliziten Unterstellung, sie wären alle bewusst geschaffen? – und Aufdeckung), schreiben BRAUN und GROTTKE auch von der sinkenden Aufdeckungswahrscheinlichkeit, je toleranter (oder wohl eher je ignoranter dieser Problematik gegenüber) eine Hochschule/Wissenschaftsgemeinschaft diese Verstöße einschätzt. Tatsächlich sehe ich die individuell vorherrschende Wissenschaftskultur in meiner Arbeit in der Plagiatsprävention als DEN Hauptfaktor für gutes Gelingen von Präventionsmaßnahmen an.
Im Sinne des hier vorgestellten „magischen Plagiatsviereckes“ lässt es zugleich auch eine Ableitung treffen, dass es kaum einen gemeinsamen Weg geben kann Plagiate zu vermeiden und sich tatsächlich jede Hochschule und Bildungseinrichtung zu individuellen Maßnahmen entschließen muss.
Artikel 2: „Plagiate aus textanalytischer Sicht – Vorschläge zu ihrer Systematisierung und Prüfung“ von Stephanie GROSSMANN und Stefan HALFT
Aus den Literaturwissenschaften kommend erstellen die AutorInnen eine Katalogisierung von Plagiaten in (Abschluss-)Arbeiten und leiten daraus praktische Tipps ab, wie Betreuende rasch erste Hinweise auf mögliche Überschreitungen erhalten können.
Erstmals in diesem Band wird dann über „bewusste“ und „unbewusste“ Plagiate bzw. mangelhaftes wissenschaftliches Arbeiten und absichtliches Abschreiben gesprochen. Zitation und ihre Funktionsweise würden häufig nicht richtig verstanden: indirekte Zitate sind doch noch sehr nahe am Original, es wird nur ein Teil eines Zitates als solches markiert usw. Anhand zahlreicher prägnanter Textbeispiele kann man mehr oder weniger eindeutigen Plagiaten nachspüren.
Was tun dagegen? Sehr viel! GROSSMANN UND HALFT stellen gleich am Anfang ihres Kapitels 3 fest, dass die Plagiatsprüfung durch die Aufdeckung von Inkonsistenzen funktioniert. So solle der Leser, die Leserin besonders auf linguistische Änderungen in Texten achten, die sich inhaltlich (z. B. durch Grammatikfehler, Brüche in der Argumentationskette) oder auch durch Formatfehler zeigen (KÖNNEN, wie ich ergänzen möchte, häufig sind diese nämlich auch nur aus Zeitdruck entstandene Schlampereien!).
Abgesehen vom Fließtext liefert manchmal auch die Literaturliste Hinweise(!) auf möglichen Plagiarismus. Im Buch ausführlich beschrieben, in meiner täglichen Arbeit mit Plagiatsprüfungen häufig beobachtet, können in der Bibliographie viele Probleme augenscheinlich werden, weshalb ich diese Elemente einer Abschlussarbeit/ studentischen Arbeit immer auch noch einmal händisch überprüfe. Laut den AutorInnen stammen sie vor allem aus einer nicht oder mangelhaft durchgeführten Literaturrecherche, die sich meist auf das Ausheben von halbwegs oder nur vermeintlich passenden Quellen beschränkt.
Artikel 3: „Erkennen von Übersetzungsplagiaten“ von Stefan METZGER
Im dritten Teil dieses Buches befasst sich METZGER mit einem sehr heiklen Thema: Übersetzungsplagiate sind nach wie vor technisch schwer nachzuweisen (siehe dazu auch meinen Artikel über Limitierungen der Plagiatsprüfprogamme) und dadurch wohl so etwas wie eine kleine schlummernde Zeitbombe der Plagiatsprüfung. Dies ist zudem auch einer von ganz wenigen Plagiatstypen, wenn nicht neben dem Vollplagiat gar der einzige, wo es nur selten zu unabsichtlichen Plagiaten kommt, da man schon sehr bewusst Übersetzungen herstellen muss!
Wie der Autor weiters richtig schreibt haben sich auch die Möglichkeiten der Aufdeckung von Übersetzungsplagiaten verbessert, da erheblich viel mehr Texte als je zuvor nun auch online zu finden sind, auch aus exotischen Quellen. Irgendwem fällt es doch irgendwann einmal auf, dass sich Texte ähneln.
Solange es jedoch maschinell noch nicht möglich ist Übersetzungsplagiate schnell zu erkennen (es wird meines Wissens bereits von mindestens einem Hersteller von Plagiatsprüfsoftware intensiv an einem entsprechenden Tool gearbeitet!), könne die Leserin, der Leser bestenfalls wieder nur über Brüche in Struktur und Inhalt eines Textes Hinweise auf nicht deklarierte Übersetzungen finden. In Unterkapitel 2 beschreibt METZGER teils historische Vorläufer von Übersetzungssystemen.
Glücklicherweise kommt ihnen hier die schlechte Funktionalität von maschinellen Übersetzungs-programmen, denen sich heutzutage viele Menschen bedienen, zugute. In Unterkapitel 3 gibt er auch dazu einige charakteristische Beispiele an, ergänzt durch zahlreiche weitere Beispiele für Hinweise auf Übersetzungen in scheinbar fehlerlosen Texten in Unterkapitel 4 (z. B. ungewöhnliche Quellen, Ortsangaben, usw.).
Bevor Sie nun verzweifeln beginne, ein Hinweis: Als sehr guter Schutz vor Übersetzungsplagiaten und damit „leider“ schlecht für die Plagiatoren, ist der Umstand, dass er/sie für wirklich entdeckungsarme Übersetzungsplagiate viel Zeit und Arbeit investieren muss … dann vielleicht doch besser einfach das dazugehörige Zitat zur Übersetzung stellen? Wäre für alle Beteiligten besser!
Artikel 4: „Plagiate erkennen durch die Analyse von Anaphern – Eine sprachwissenschaftlich-informationstechnologische Perspektive“ von Helene SCHMOLZ
Ich muss zugeben, bei diesem Kapitel war ich alleine wegen dieses regelrechten Monstertitels ein wenig zaghaft zu lesen zu beginnen. Als Nicht-SprachwissenschafterIn steht man wohl bald an, so die Befürchtung. Wagemutig habe ich mich dennoch ins Abenteuer gestürzt … und nicht bereut!
Die Autorin beleuchtet in diesem Artikel Möglichkeiten die maschinelle Plagiatsdetektion zu verbessern und beginnt sogleich mit einem wichtigen Schritt, bei der Definitionsklärung – was sind eigentlich Plagiate? Betonenswert ist hier vor allem die Aussage, dass die meisten derzeit gängigen und anerkannten Definitionen (für Plagiate in der Wissenschaftswelt zumindest) von Grad an Gleichheit (oder Ähnlichkeit – siehe auch in meinem neuen Blogartikel am MI besprochen werden wird!) zwischen zwei oder mehr Quellen ausgehen. Mehr als Ähnlichkeiten können Plagiatsprüfprogramme also nie feststellen. Etwas redundant ist die nochmalige Aufzählung diverser Plagiatsarten und auch die Kennzeichnungsmöglichkeiten würde ich mir in diesem Kapitel eigentlich nicht erwartet.
Unterkapitel 3 beschäftigt sich mit Plagiatssoftware (richtiger: „Textähnlichkeitssaufdeckungs-software“), ihrer Funktionalität, Systemunterschiede sowie Nützlichkeit und Problematiken. Falls Sie sich beim Titel wie ich gefragt haben, was „Anapher“ sind: „Der Begriff „Anapher“ bezeichnet im linguistischen, grammatikalischen Sinn einen Ausdruck, der auf einen zurückliegenden Ausdruck, das Antezedens, verweist.“ (Als Beispiel: Schreibe ich also hier “sie” oder “ihr”, meine ich die ZUVOR genannte Autorin, Frau Schmolz.) Nicht uninteressant! Weiters schreibt sie, dass die sprachwissenschaftliche Literatur für Verschiedenes stünde und bietet zahlreiche deutsch- wie auch englischsprachige Beispiele für die unterschiedlichen Arten von Anaphern an.
Anhand dieser auf einander verweisenden Wörter könne auch ein Plagiatsdetektionssystem geschaffen bzw. ein solches verbessert werden (Anaphernresolution). SCHMOLZ belegt dies sogleich anhand von Entdeckungen in der großräumig Plagiierten Dissertation des ehemaligen deutschen Verteidigungsministers zu Guttenberg (Unterkapitel 5, S. 141-146). Wirklich interessant – so einfach und doch so wirksam! Sich auf Abenteuer einzulassen zahlt sich sehr aus! Viel Neues gelernt!
Artikel 5: „Plagiate in wissenschaftlichen Arbeiten aus rechtlicher Sicht“ von Evelyn-Maria WIGGERT
Zu guter Letzt darf in diesem stark interdisziplinär gehaltenen Band natürlich auch eine rechtswissenschaftliche (namentlich vor allem eine zivil-, straf- und verwaltungsrechtliche) Auseinandersetzung mit Plagiaten nicht fehlen. Denn auch Plagiate sind weder mono-disziplinär noch sind sie auf einzelne Nationen beschränkt, schreibt WIGGERT vollkommen richtig.
Plagiate werden völlig zu Unrecht als ein Phänomen der Neuzeit angesehen, tatsächlich gibt es sie nachweislich schon seit dem 3. Jhdt. v. Chr. Dem entgegengesetzt verhält es sich mit dem Begriff „geistiges Eigentum“ der in der Antike noch unbekannt war und erst eine Erfindung aus den Anfängen des Buchdrucks.
Die Autorin erklärt weiters, dass der Begriff Plagiat rechtlich nicht eindeutig definiert ist. Liest man das österreichische bzw. deutsche UrheberInnenrecht (UrhG) in den Originalfassungen durch, wird dies sehr deutlich. Aus zivilrechtlicher Sicht besteht jedenfalls eindeutige Rechtshoheit der UrheberInnen gegenüber: nur diese können über Verwertungsrechte bestimmen, diese veräußern usw. und haben daher bei unerlaubten Übertretungen ihrer Schutzrechte rechtlich auch Anspruch auf Unterlassung und Schadenersatz.
Strafrechtlich tut man sich da schon schwerer: Da das UrhG als ein spezielles Strafrecht Vorrang vor dem Strafrecht bekommt, wird man Plagiaten so kaum habhaft werden. Aus öffentlich-rechtlicher Sicht gilt es besonders auf einen gerne übersehenen Aspekt hinzuweisen, der auch mir als Wissenschaftsberaterin sehr wichtig ist: wie schützt man sich vor ungerechtfertigten Plagiatsanschuldigungen? Tatsächlich träten laut Autorin das Recht auf Meinungsfreiheit und die Wissenschaftsfreiheit hinter den Schutz der allgemeinen Persönlichkeitsrechte. Ausgehebelt werde dies wie im Falle der ehemaligen deutschen Wissenschaftsministerin Schavan nur, wenn man als „Person öffentlichen Interesses“ etwas Unrechtes getan haben könnte.
In Unterkapitel 6.2 beschreibt WIGGERT Aspekte mit verwaltungsrechtlicher Relevanz, der bei Plagiaten tatsächlich meist die größte Bedeutung zukommt. Anhand mehrerer deutscher Rechtsentscheide bzw. Verfahren schildert die Autorin anschaulich jüngste Plagiatsfälle.
MEIN FAZIT
In mehreren interdisziplinären Aufsätzen bereiten SpezialistInnen unterschiedliche Betrachtungsweisen rund um Plagiate, (neue) Möglichkeiten für deren Aufdeckung und andere wichtige, aber noch wenig beachtete Aspekte spannend auf. Für Laien der Plagiatsthematik und Nicht-WissenschafterInnen ist es nur bedingt empfehlenswert, spricht das Buch aus dem Josef-Eul-Verlag mit den darin enthaltenen Spezialthemen hauptsächlich bereits erfahrenere Personen an, die damit hervorragend mehr Hintergrundwissen und Einblicke erhalten können. Empfehlung!
Artikel von Natascha Miljković, 13. Oktober 2014
© aller Texte: Dr. in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2014.
© Abbildungen: wie angegeben.
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