Didaktische Stolpersteine – Warum klappt es mit dem Zitieren oft nicht? (Teil 1/2)

Der Empfang einer unabsichtlich fehlgeleiteten SMS brachte mich diese Woche zum Grübeln: kommen die Hauptaussagen wie und warum man zitieren muss trotz allerbester Absichten und größtmöglichen Bemühungen der Unterrichtenden überhaupt bei den Studierenden an?

Die meisten Lehrenden kommen ohne Feedback-Bogen ohnehin gar nicht mehr aus (dazu habe ich kürzlich in einer Blog-Serie gesprochen, nachzulesen hier: Teil 1 – Feedback geben, Teil 2 – Feedback annehmen und Teil 3 – Arten von Feedback).

Aus eigener Erfahrung weiß ich allerdings, dass sich viele Studierende nicht trauen Verbesserungsvorschläge darauf anzugeben. Oder meinen es lese sowieso niemand, was sie zu sagen hätten. Und wenn doch Meldungen retour kommen, ist vielleicht die Weiterleitung an die Lehrenden nicht immer in vollem Umfang gegeben oder möglich.

 

Hart aber herzlich, und korrekt zitiert

Dabei würde es so sehr lohnen einmal genauer hinhören zu können, was Studierende wirklich wollen und brauchen und dies nach Möglichkeit auch umzusetzen!

Ungeachtet der grundsätzlich auftretenden Herausforderungen bezüglich Kommunikation im Allgemeinen und diversen (z. B. zwischenmenschlichen und hierarchischen) Anforderungen der Lehre im Besonderen, analysiere ich in Teil 1 dieser zweiteiligen Blogserie (Teil 2 zur Studentensicht dieses Themas) mögliche didaktische „Stolpersteine“ auf dem Weg von Theorie und (wünschenswerter) Praxis beim Zitieren wissenschaftlicher Literatur und deren Vermittlung.

 

Deshalb klappt es oft nicht mit dem korrekten Zitieren

1) Lehrende nehmen an, dass Studierende durch die Matura/das Abitur ausreichend vorgebildet sind, wenn es um wissenschaftliche Texte schreiben geht.

Leider hatten nicht alle SchülerInnen Österreichs meine grandiose Englischlehrerin, die uns schon mit 13 Jahren Polizeiberichte, Zeitungsartikel und Literaturrezensionen schreiben lies. Es war sehr schwer, aber es hat mir auch großen Spaß gemacht so unterschiedliche Stilarten schreiben zu müssen. Ich habe viel gelernt damals!

Auch wenn man ähnlich gute Lehrende in der Schule hatte, es stellt sich für mich doch auch die Frage, ob der Umgang mit wissenschaftlicher Literatur wirklich schon Teil der Schulausbildung sein kann und sollte. Mit Einführung der Vorwissenschaftlichen Arbeit (VWA) in Österreich wird sich hier in Kürze noch sehr viel und drastisch ändern (müssen).

 

2) Lehrende verlassen sich darauf, dass in den Fächern „wissenschaftlich Arbeiten“ ohnehin alles Wichtige zum Zitieren vermittelt wird.

Ein schwerer Fehler! Woher wollen Sie wissen, ob schon alle Ihre Studierenden in den entsprehenden Kursen waren und was jemand anderes dort unterrichtet hat? Auch, dass etwas „Pflicht“ ist, hält Studierende nicht vor zu wenig Wissen in Detailfragen ab.

Ich empfehle jedem Lehrenden dem Publikum zumindest zu Beginn des Semesters einmal klar dazulegen, was SIE/ER für ihren/seinen Unterricht erwartet, und das sollte auch inkludieren wie man sich den Umgang mit fremden Quellen generell vorstellt. Dauert nicht länger als eine Viertelstunde, versprochen!

Dafür hätten Sie eine faire Möglichkeit in der Hand, falls doch ein paar hartgesottene KandidatInnen nicht widerstehen können sollten beim kreativen Text-Recycling aller Art dann etwas strenger zu sein.

 

Rules?
(Foto “Rules?” von Ed.ward @ Flickr)

 

3) Lehrende haben den klassischen „Kraut & Rüben“-Stil bezüglich Quellenangaben für ihre eigenen Werken.

Sorry, ist kein Mythos, ich musste es schon unzählige Male selbst beobachten. Mir ist natürlich bewusst, dass das NICHT alle machen (schreiben ja auch nicht alle Studierenden ab ;), aber doch genug.

Und, das “ja, aber/weil” gilt nicht! Wir wissen alle, Sie haben keine Zeit für sowas und nein, es ist trotzdem NICHT OK, mit Unterlagen ohne Quellenangaben und Präsentationen ohne Bildnachweise vor die Studierenden zu treten!

Bitte unterschätzen Sie niemals Ihre Vorbildwirkung in diesem Punkt! Doch doch, Studierenden fallen diese „Kleinigkeiten“, wie fehlende Zitate, inkorrekte Quellenangaben und unbenannte Abbildungen durchaus auf, spätestens beim Lernen.

Stellen Sie sicher, dass alle von Ihnen während des Unterrichts ausgegebenen schriftlichen Unterlagen, Ihre Präsentation, Informationen auf Ihrer Website und Ihre Online-Kurse stets mit allen Zitaten versehen sind (für fremde Texte UND Fotos, siehe auch mein Artikel zu Foto-Urheberrecht!).

Falls es trotz aller dieser Bemühungen (siehe auch Punkt 2) bei von Ihnen betreuten studentischen Texten zu Unregelmäßigeiten kommen sollte, sprechen Sie Ihre Grundsätze nochmals genau an, wenn nötig 1x/ Monat. Machen Sie klar WARUM das so wichtig ist und warum es IHNEN wichtig ist.

Von Androhungen und Strafen bin ich generell nicht überzeugt! Denn, seien wir ehrlich – wen schreckt das denn wirklich ab, besonders dann, wenn man’s selbst auch nie so genau genommen hat mit dem Urheberrecht?

 

4) Lehrende vermittelten zu allgemeine oder nicht exakt zum jeweiligen Fach passende Zitationsregeln.

Natürlich macht es nur wenig Sinn NaturwissenschafterInnen die Zitierregeln für geisteswissenschaftliche Texte nahezubringen. Hier wird zum einen deutlich seltener das direkte Zitat eingesetzt, die Verwendung von Fußnoten hält sich zugunsten eines ausgeprägteren Anhangs auch eher in Grenzen. Außerdem gibt es in den naturwissenschaftlichen Fächern den enorm wichtigen Abschnitt der „Material und Methoden“ und es müssen viel mehr Abbildungen und Grafiken beschrieben werden.

Zwar liegt als Klassiker der „wie schreibe ich eine wissenschaftliche Arbeit“-Werke Umberto Ecos Buch (genaue Angabe in dieser Literaturbesprechung zu finden) fast überall auf und es wird immer noch (auch zu Recht, es ist wirklich gut, kein Wunder – Eco ist Eco!!) sehr empfohlen. Für manche Fächer ist es aber nicht geeignet danach vorzugehen. Es gibt mittlerweile jedoch für fast alle Fachbereiche eigene Werke (ebenfalls unter oben genannten Link zu finden).

 

In Teil 2 dieser Blogserie wird es um die Studierenden-Sicht zu diesem Thema und was sie machen können, um bei ihrer Abschlussarbeit nicht zu straucheln.

 

Das könnte Sie auch interessieren!

Studierende durch mehr Feedback fördern und herausfordern

Limitierung von Plagiatsprüfprogrammen

zu den Vorteilen von Plagiatsprüfprogrammen

Formen von Plagiarismus in den Wissenschaften – “Salami-Publikationen”

Ändern Plagiatsprüfungen den Review-Prozess?

 

(Artikel von Natascha Miljković, 4. März 2014; letztes update: 7. September 2014)

 

© aller Texte: Dr.in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2014.
© Abbildungen: wie angegeben.

 

Den Plagiatpräventions-Blog der Zitier-Weise als E-Mail lesen

Mit einem Feed-Reader abonnieren

follow us in feedly

Creative Commons Lizenzvertrag
Der Wissenschaftlichkeits-Blog von Natascha Miljkovic ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz. Wenn Sie über diese Lizenz hinausgehend Erlaubnis zur Verwendung meiner Inhalte haben möchten, können Sie diese sehr unter www.plagiatpruefung.at/kontakt anfragen!

Print Friendly, PDF & Email
Tagged , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , . Bookmark the permalink.

About Dr. Natascha Miljkovic

Inhaberin der Firma Zitier-Weise, Agentur für Plagiatprävention. Naturwissenschafterin mit viel Auslandsforschungserfahrung, Wissenschaftsberaterin und präventive Plagiatsprüferin. Berät Bildungseinrichtungen zum Themenkreis akademische Unredlichkeit und unterrichtet, wie man diese (z. B. Plagiate) nachhaltig vermeiden kann. Auch an allen anderen Themen in, um und durch Forschung und Bildungseinrichtungen interessiert.

3 Responses to Didaktische Stolpersteine – Warum klappt es mit dem Zitieren oft nicht? (Teil 1/2)

  1. Pingback: Wissenschaft als Beruf - und wo bleibt die Berufung dabei?

  2. Pingback: Was spricht gegen akademisches Ghostwriting? – Betrachtungen (Teil 2/2) - Zitier-Weise

  3. Pingback: Zitierfehler und Plagiate - Studierende und ihre Probleme mit der Abschlussarbeit - was tun?

Leave a Reply