Die Rolle der Hochschulen – Retrospektive zum Forum Alpbach 2014 (2/5)

Was wird einmal aus unseren Kindern? Lernen sie was für’s Leben? Finden sie denn überhaupt mal einen guten Job? (Und besonders kritische Stimmen ätzen leise mit –>) Muss denn heutzutage jeder Handwerker studieren dürfen?! Besonders zum Schulstart und zum baldigen Semesterbeginn stellen sich manche Eltern wieder einmal sinnierend diese Fragen zur Zukunft.

Im zweiten Teil meiner Blog-Serie zum diesjährigen Forum Alpbach beschäftigen mich vor allem die Anforderungen und Ausführung der verschiedenen Rollen der Hochschulen und seiner ProtagonistInnen, um diesen Fragen gerecht werden zu können. Andeutungsweise kam es in den Einführungsgesprächen bereits vor, was Hochschulen zu leisten haben, da wären zum Beispiel:

  • schnell und gut viele Fachleute auszubilden … aber nicht in allen Fächern, in manchen haben wir viel zu viele und in anderen zu wenige …,
  • Innovationen für die Wirtschaft zu liefern … das aber eher nur durch die Fachhochschulen, nicht von klassischen Unis … oder vielleicht doch auch von denen, sicher ist sicher …,
  • die Gesellschaft durch Mehrung von Wissen immer weiter voranbringen … aber nur in Biotechnologie, Medizin und Technik, dem Menschen muss es zuvorderst etwas nutzen, was kümmern uns die „Orchideenfächer“ …!

So viele Inputs es dazu von unterschiedlichsten Stellen gibt, so schnell driften auch die Meinungen bei diesem Thema oftmals auseinander. Hier sind einige meiner kritischen Anmerkungen dazu:

Looking glass(Foto “Looking glass” von Till Westermayer @ Flickr)

 

Lern wos gscheits!

Ausbilden soll sie also, die (Fach-)Hochschule. Doch für wen oder was? „Für’s Leben“ wäre sehr nett, doch heutige Universitäten bilden ja bis auf einige Ausnahmen (Arzt, Anwalt, Architekt) noch nicht einmal für einen konkreten Beruf sondern für Abschlüsse aus. Die frisch gebackenen Fachkräfte müssen daher meist erst recht nochmal alles „on the job“ lernen. Besonders an den im Zuge des Bologna-Umbaus an Hochschulen neu gestalteten Bachelorabschlüssen wird allerdings die Diskrepanz in ihrer Wertigkeit – oder der Interpretation ihrer Wertigkeit – deutlich: Jobs für Bachelor sind sehr rar und die Wirtschaft akzeptiert (und bezahlt) Personen mit Masterabschlüsse ungleich mehr. Wozu gibt es also diese erste Stufe der Hochschulausbildung überhaupt?

Apropos Wirtschaft: leider ist schon seit längerem an Hochschulen ein (zum Teil durchaus nötiger und nützlicher, meist jedoch komplett fehlgeleiteter) Sparzwang angesagt. Die Mittel sind knapp! Viele mokieren schon seit langem, dass man allerdings nun einmal nicht um weniger Geld immer noch mehr Studierende in gleichbleibender oder gar noch besserer Qualität ausbilden kann. Leuchtet schon ein! Wollen Hochschulen dann Aufnahmetests, Zugangsbeschränkungen oder Lukrierungsmöglichkeiten für mehr finanzielle Mittel (wie durch Studienplatzfinanzierung aka Studiengebühren) besprechen, gibt es wieder massenhaft empörte Aufschreie. Was darf’s denn nun sein? Ich befürchte, man wird nicht alles von allem haben können!

Besehen wir uns den Fall Medizinstudium genauer: Angeblich haben wir zu viele Medizinstudierende, aber nicht auf dem Land. Also wie jetzt – zuerst braucht es Aufnahmetests, um der Massen an InteressentInnen Mensch werden zu können und dann will niemand in ländlicheren Bereichen Österreichs arbeiten? Was stimmt da nicht? Ist das antiquierte Bild des „Gottes/der Göttin in Weiß“ vielleicht nicht mehr mit tatsächlichen Anforderungen des modernen Berufes Arzt kompatibel und leitet MaturantInnen bei ihrer Berufsentscheidung fehl? Was sollen wir also tun, um Engpässe an Fachpersonal zu vermeiden? Müssen wir nun 5-Jahrespläne einführen, damit immer ausreichend Fachkräfte zur Verfügung stehen? Oder nehmen wir Fachkräfte aus dem Ausland auf (aber bitte nur, wenn sie ÖsterreicherInnen sind, sonst bekommen wir gleich noch mehr Probleme in rot-weiß-rot)? Klingt alles noch nicht sehr ausgebacken …

 

Kindly translate your science!

Wie Hermann Hauser in seiner Keynote-Rede so treffend erwähnt hat: anders als das früher der Fall war, hat die Forschung der Neuzeit außer Lehre und Forschung heute bitte auch noch „science translation“ zu bieten. Ausbildung und Wissenschaft kosten viel Geld, doch es gäbe – so der fromme Wunsch dahinter – bestimmt deutlich mehr Steuergelder und andere Mittel dafür, wenn doch die Gesellschaft endlich einsehen würde, was sie nicht alles Tolles davon hat. Hm.

Gemessen an der ungemein negativen Einstellung Studierenden in Mitteleuropa gegenüber (Party-Student, Schmarotzer, Berufsdemonstrant, Langweiler … you name it) und der Minderstellung von Lehre im Allgemeinen, wird das wohl nicht so sehr für die Lehre gelten. Gesucht sind in Wirklichkeit also mehr Gelder für die Wissenschaft! Ideen gibt es dazu auch schon viele, allen voran: Drittmittel lukrieren. Doch tut man sich dank ungünstiger Gesetzeslage für Stiftungen in Österreich schwer (schwerer als in Deutschland allemal) und Bildungssponsoring ist wie die „science translation“ ansich immer noch ein „emerging field“.

Nun eröffnet sich aber auch zugleich das Problemfeld der freien Wissenschaft: Wenn nicht mehr nur der Staat oder unabhängige Förderstellen Gelder geben, verlieren wir dann nicht auch Freiheitsgrade und schaden wir damit der Qualität der Forschung (wie gelegentlich an Pharmaforschung und anderen Auftragsdienstleistungen bekritelt wird)? Oder ist dieses alte Ideal der freien Wissenschaft heutzutage einfach nicht mehr tragbar? Weiters sollte auch bedacht werden, dass viele Forschungszweige ja gar keine wirtschaftlich verwertbaren Produkte oder Erkenntnisse abliefern KÖNNEN (also faktisch „nix bringen“). Müssen diese „Elfenbeintürme“ letztlich zwangsweise in sich zusammenfallen?

 

Innovation – das neue alte Schlag-mich-tot- … ähm Schlagwort

Mit schlecht bezahlter und angesehener Lehre im Nacken und (nur zum Teil nachvollziehbaren) Effizienzwahn gegenüber Projekt-Finanzplänen und -Deadlines sollen Forschende dann auch noch Innovationen aus dem Ärmel schütteln. Für unsere Gesellschaft und Wirtschaft natürlich! Manch eineR ruft schon nach einer Aufsplittung in Lehr- und Forschungsprofessuren. Was jedoch entscheidender ist als ein Fokus auf das eine oder andere im Arbeitsvertrag ist meiner Meinung nach die strukturielle Möglichkeit Innovationen zu ermöglichen: Vernetzung, Mobilität in und vom Ausland, Risikoinvestments … und allen voran ZEIT! Zeit die nicht bürokratisch verplant und verrechnet werden muss! Zeit, um nachzudenken, nachzulesen, zu diskutieren. Zeit, Forschung wieder spielerischer und ohne gewissen Ausgang zu betreiben.

Doch woher diese Zeit nehmen, wenn die Anforderungen an Forschende immer höher statt besser werden? Denn nicht zu verachten sind auch Hemmnisse wie diese: großteils fehlende Arbeitsplatzsicherheit und grassierende AkademikerInnen-Prekariate, großteils fehlende Gleichstellung von weiblichem Fachpersonal bzw. fehlende Aufstiegschancen für Frauen (nächste Woche gestalte ich einen Artikel zu Genderfragen in higher education!) und großteils fehlende Karriereentwicklung für Nachwuchskräfte. Was junge WissenschafterInnen jedenfalls schon gelernt haben an unseren Hochschulen ist, sich sicherlich nicht 15 Jahre tolle Innovationen aus dem Hirn zu saugen für einen jährlich zu verlängernden Werkvertrag mit lachhaftem Miniaturgehalt und „bring your own device“-Mentalität!

Es gibt wahrlich noch viel zu tun für unsere Hochschulen!

 

In Teil 3 meiner Alpbach-Blogreihe wird es am Montag um die Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft – und Gesellschaft in der Wissenschaft gehen. Also einmal “public goes science” statt umgekehrt!

 

Artikel von Natascha Miljković, 20. September 2015

© aller Texte: Dr. in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2014.
© Abbildungen: wie angegeben.

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About Dr. Natascha Miljkovic

Inhaberin der Firma Zitier-Weise, Agentur für Plagiatprävention. Naturwissenschafterin mit viel Auslandsforschungserfahrung, Wissenschaftsberaterin und präventive Plagiatsprüferin. Berät Bildungseinrichtungen zum Themenkreis akademische Unredlichkeit und unterrichtet, wie man diese (z. B. Plagiate) nachhaltig vermeiden kann. Auch an allen anderen Themen in, um und durch Forschung und Bildungseinrichtungen interessiert.

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