Die Einleitung und ihr verflixter erster Satz

Ich sitze in der Abwasch während ich das schreibe* … Ok, ich gebe zu – ganz so schlimm ist es um mich noch nicht bestellt. Und meine Abwasch wäre definitiv zu klein für ein Sitzbad. Das Phänomen der „catchy first sentences“ kennen Sie aber bestimmt aus der Belletristik (*„mein“ erster Satz dieses Artikels stammt übrigens aus Dodie Smiths Buch “I Capture the Castle“).

Ein berühmter erster Satz, der mich persönlich immer wieder „fängt“, ist:

Allem Anfang wohnt ein Zauber inne, …“

Wunderschön und so wahr! Nachdem mich vor kurzem jemand mit dem Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse wieder an erste Sätze erinnert hatte, habe ich mir überlegt, wie das eigentlich in der Wissenschaft bestellt ist mit den guten Anfängen.

Aller Anfang ist schwer ... wie der erste Satz bei einem Text

(Abb. Aller Anfang ist schwer … wie einen guten ersten Satz für einen Text zu finden;
Fotolia No. 188678795_XS von Criene Images)

 

Let’s Rock the Intro!

Kürzlich referierte ich in einem meiner „Writing Scientific English“-Kurse über die introduction und dachte zu mir – abgesehen von den Resultaten ist die Einleitung tatsächlich eine der wichtigsten Textanteile! Selbst als halbwegs geübte Schreibende ist es auch für mich immer noch herausfordernd die Einleitung ansprechend und „aufregend“ zu gestalten. Einige wenige Absätze als Eingangstor in ein gesamtes Projekt – ganz schön knifflig!

Lassen Sie uns gemeinsam ins Gedächtnis rufen, was die Einleitung leisten wird. Die Einleitung besteht idealerweise aus drei Teilen:

  1. Das Thema und seine Relevanz: In diesem allerersten Abschnitt der Einleitung etablieren Sie quasi Ihr „Territorium“. Sie bauen ein anschauliches Gerüst an relevanten Aspekten Ihres Themas auf, worin Sie später auch Ihre Forschungsfrage verankern werden. Dazu sollten Sie auch kurz erwähnen, was in diesem Gebiet „state of the art“ ist.

Die Lesenden wird außerdem brennend interessieren, warum Sie dieses Thema überhaupt begeistert – machen Sie das in wenigen knackigen Sätzen klar. Sie haben so viel Motivation sich längere Zeit damit zu beschäftigen, suchten sich dieses Thema gar als Abschlussarbeit oder Forschungsgebiet aus, zeigen Sie uns warum. Begeisterung weckt Begeisterung – Satz für Satz!

  1. Das Ziel der Arbeit und die Forschungsfrage: Jetzt geht es ans Eingemachte – was wollen Sie überhaupt erarbeiten?! Das Bild des Territoriums aus Punkt 1 weiter spinnend wäre nun der Zeitpunkt gekommen Ihre „Nische“ im Territorium, also Ihre Forschungsfrage (manchmal sind es auch eine Hauptfrage und mehrere kleinere Nebenfragen) herzuzeigen:

Was haben Sie sich gefragt, als Sie begonnen haben an diesem Thema zu arbeiten?

Gibt es vielleicht streitende Lager, widersprüchliche Forschungsergebnisse

Sollten die Lesenden vielleicht über konkurrierende Ansätze informiert werden?

Welcher Aspekt davon ist für diese Ihre Arbeit „Leitstern“ gewesen?

Welche Ziele haben Sie mit dieser Arbeit verfolgt, was wollen SIE vom Thema wissen?

Natürlich kann man hier auch schon andeuten, was man ausgeschlossen hat. Die meisten Themen bieten Raum für so viele weitere Fragen, das kann man aber in einer Bachelor- oder Masterthese selten alles aufarbeiten. Haben Sie keine Scheu sich das auch zuzugestehen – weniger (im Sinne von fokussierter) ist mehr.

  1. Der Aufbau des Textes: Ein kurzer Überblick über die Kapitelstruktur bildet den Abschluss der Einleitung und zugleich die Überleitung in den nächsten, nun ersten „echten“ inhaltlichen Abschnitt. Dieser Teil ist meist durch einige Phrasen gekennzeichnet, wie zum Beispiel:

„In Kapitel 1 wird die Struktur von … erläutert.“

„Kapitel 2 widmet sich …“

„Analysen und Resultate zu … finden Sie in Kapitel 3.“

Natürlich gibt es die viel genauere Inhaltsangabe und zumeist ohnehin auch einige Verzeichnisse (für Abbildungen, Tabellen, etc.). Dieser Abschnitt hat dennoch eine wichtige Funktion: hier „bevölkern und beleben“ Sie Ihre „Nische“ erstmals. Da Sie nicht alles bearbeitet haben können, was ein Thema maximal hergeben könnte, zeigen Sie in wenigen Sätzen, worauf Sie Wert gelegt haben. Auch das ist schließlich nicht gerade uninteressant für die Lesenden.

Der erste Satz

Nun wissen wir also, wie die Strukturierung der Einleitung aufbaut sein sollte. Braucht es nur noch diesen einen, ersten Satz. Nicht nur im belletristischen Bereich ist es wichtig die Lesenden gleich von Anfang an für sich und seinen Text zu begeistern. Das ist auch in der Wissenschaft der Fall, wenn auch in einem andren Stil.

Nicht reißerisch, nicht allzu fantastisch oder blumig sollte es natürlich sein, es handelt sich ja um einen wissenschaftlichen Text und nicht um ein Hollywood-Filmscript oder einen Roman. Also nicht die Abwaschsitzerei und dergleichen bemühen! 😉

In diesem Artikel beschreibt ein Verlagshaus wissenschaftlicher Literatur, welche Charakteristika die ersten Sätze ihrer erfolgreichsten Artikel hatten:

  • Sie sollten vor allem kurz sein. Schachtelsätze sind äußerst unbeliebt, also bitte ganz besonders nicht gleich zu Beginn die Lesenden so etwas reinwürgen lassen.

  • Sie drücken exakt aus, worum es in dieser Arbeit geht. Blumig zu schreiben ist nicht hilfreich, beliebig bleiben auch nicht!

  • Sagen Sie ohne Umschweife, was Sie erarbeitet haben. Kein wollten, dachten, möchten.

  • Sie antworten auf die Frage „Ja, und nun, wozu war das gut?“ Warum haben Sie das gemacht? Weltfrieden und andere Visionen als hehre Ziele sind schön, aber vielleicht nicht sehr einladend für viele. Besinnen Sie sich auf Ihre Forschungsfrage.

  • Und erste Sätze machen Lust auf’s Weiterlesen. Oder wie William Faulkner schon sagte:„Write your first sentence in a manner that the reader likes to read the second, too.“

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Artikel von Natascha Miljković, 2.5.2018

© aller Texte: Dr. in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2018.
© Abbildungen: wie angegeben.

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About Dr. Natascha Miljkovic

Inhaberin der Firma Zitier-Weise, Agentur für Plagiatprävention. Naturwissenschafterin mit viel Auslandsforschungserfahrung, Wissenschaftsberaterin und präventive Plagiatsprüferin. Berät Bildungseinrichtungen zum Themenkreis akademische Unredlichkeit und unterrichtet, wie man diese (z. B. Plagiate) nachhaltig vermeiden kann. Auch an allen anderen Themen in, um und durch Forschung und Bildungseinrichtungen interessiert.

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