Große Entwicklungschancen in der Hochschullehre

Viel ist über die zahlreichen und ernst zu nehmenden Herausforderungen der Lehre (dazu gibt es von meiner Kollegin und Co-Autorin Dr.in Andrea Klein einen aktuellen Blogbeitrag) zu sagen. Dass die Lehre meist grob unterbewertet und/oder unterbezahlt ist, sind nur zwei davon. Doch wie ist es um die sich bietenden Chancen in der Hochschullehre bestellt? In diesem Artikel behandle ich einige davon. Außerdem wage ich den Versuch eines Ausblicks: Wie könnten die nächsten 20 Jahre Hochschullehre aussehen?

Lehre soll inspirieren(Lehre soll inspirieren – Lernende UND Lehrende; (c) Pixabay)

Warum lehren Menschen gerne?

Einige (Erst-)Lehrende mögen in die Lehre „gezwungen“ worden sein, weil sie zum Beispiel in der Forschung arbeiten und vertraglich auch Lehrverpflichtungen übernehmen müssen. Viele andere haben sich diesen Berufszweig jedoch ganz bewusst gewählt. Ich zum Beispiel, ich arbeite seit mehr als 8 Jahren als zumeist externe Hochschullehrende an Universitäten und Fachhochschulen.

Wie auch immer der Werdegang gewesen sein mag, der jemanden zur (Hochschul-)Lehre gebracht hat, da sehr viele hochmotivierte Lehrende an Hochschulen anzutreffen sind, muss es Vorteile der Hochschullehre geben. Für mich persönlich sind das sicherlich:

  • Abwechslungsreich – Lehrende haben mit vielen Menschen zu tun, die häufig sehr diverse kulturelle, soziale und Ausbildungs-Backgrounds haben.

  • Lehrreich – Wer lehrt lernt. Jedes neue Semester gibt mir als Lehrende Chancen mich wieder mit einem Thema zu beschäftigen und up-to-date zu bleiben.

  • Herausfordernd – Im positiven Sinne, ich muss mich als Lehrkraft regelmäßig mit teils wirklich tiefgreifenden Fragen befassen, die die Lernenden mir während des Unterrichts stellen. Ein Stillstand passiert also nicht so leicht, das Entstehen von Scheuklappen ebenso wenig, mein Kopf bleibt offen(er).

  • Kreativ – Ja, Didaktik kann auch sehr kreativ sein, je nachdem, wie sehr sich die einzelne Lehrkraft getraut neue Methoden des Unterrichtens auszuprobieren.

Entwicklungschancen der Hochschullehre für WissenschaftlerInnen

Es ist nicht nur ein hehres Ziel für einige wenige IdealistInnen wie mich – Lehre und Forschung sollten immer verschränkt sein. Vielleicht ist das lange Zeit ein eher mitteleuropäischer Ansatz gewesen? In den USA ist der Trend zu reinen Lehrprofessuren durchaus groß, in Europa hat das noch nicht so starken Anklang gefunden. Doch, die Zeiten ändern sich, wer weiß, was da noch alles auf uns zukommen mag. Für Viele würden Lehrprofessuren einen großen Zukunftsmarkt darstellen: Auch wenn sie in ihrem Forschungsgebiet nicht mehr aktiv tätig wären, müssten sie nach dem Studium dennoch nicht aus dem Hochschulwesen ausscheiden.

Warum ist der verschränkte Zugang nicht nur meiner Meinung nach der bessere? Die Lehre bleibt so deutlicher am aktuellem Geschehen dran. Besieht man sich neue Lehrbücher in manchen sich rasch entwickelten Fachbereichen, kann man erkennen, wie rasch veraltet der Inhalt bei Drucklegung schon wieder ist. Sind Lehrkräfte an den Institutionen jedoch auch in die Forschung eingebunden, kennen sie den Forschungsstand gut. Das wiederum kann für Beispiele in der Lehre gut herhalten und Studierende damit auch einen Einblick in ihr mögliches späteres Beschäftigungsfeld geben. Angewandte Beispiele sind zudem meist leichter zu verstehen als spröde Theorie und Lernende merken sich diese auch leichter.

Umgekehrt kann man als Lehrkraft die Fragen der Studierenden aus der Lehre mit in die eigene Forschung nehmen und so leicht(er) erkennen, wo man womöglich noch zu komplex erklärt oder vielleicht dadurch sogar einen einfacheren Forschungsweg einschlagen. Selbstverständlich können Lehrende sich gute, interessierte graduate students vorzeitig für die Betreuung von MA oder PhD oder auch als TutorInnen für ihre Lehrveranstaltungen auswählen. Fördern Sie die Besten und nutzen Sie Ihre Zeit dadurch auch besser!

Womöglich wird gerade dieser letzte Punkt gerne übersehen, doch Lehrende bilden durch die Vortragstätigkeit auch Skills weiter! Zuerst ihre eigenen sozial-kommunikativen und argumentativen Skills, was ihnen zum Beispiel beim Publizieren in weiterer Folge selbst wieder zugute kommt. Auch die Vortragsfähigkeit wird beim Unterrichten stetig weiter ausbauen, aber auch die eigenen „leadership qualities“ trainiert man durch Anleiten und Coachen von Gruppen gut und man lernt sich auch besser selbst zu organisieren (besonders, wenn parallel gleich mehrere Kurse vor- und nachzubereiten sind).

Entwicklungschancen der Hochschullehre für WissenschaftlerInnen

Schon lange ist klar, dass die klassischen Modelle der Präsenz-Lehre zu teuer sind. Immer mehr Lernende drängen in die Hochschulen und andere höhere Ausbildungen und schon jetzt fehlen viele Lehrende und Betreuende für ihre fachgerechte und weiterhin qualitativ hochwertige Ausbildung. Mit den herkömmlichen Methoden per E-Mail zu korrespondieren, eine Stunde Vorlesung oder zwei Stunden Seminare zu haben und 15 Seiten Hausübungen abzugeben, die keinerlei Praxisbezug haben, werden die neuen Lernenden nicht mehr lange zu „servisieren“ sein. Service ist hier durchaus im besten Sinne des Wortes gemeint, Service an und für die Lernenden aber auch zur Freude und hoffentlich zum Vorteil der Lehrenden!

Ich freue mich auf immer neue, kreative und aktivierende (engaging) Möglichkeiten in der Lehre, die ich austesten und für meine Lernenden und HörerInnen anpassen kann. Starre Systeme haben noch selten zu gutem Lernen beigetragen und auch bewährte Lehrmethoden müssen immer wieder ein wenig verändert und erweitert werden. „Fast Food-Mentalität“ oder „Nürnberger Trichter“-Methoden für „Bulimie-Lernen” (binge learning) sind nachgewiesenermaßen sinnlos, es lebe die neue Individualität und sich die Lernjahre auch noch Zeit kosten zu lassen dürfen!

Als neue Fähigkeiten, die Lehrende erlernen oder updaten bald werden müssen, sehe ich alle Formen von Fernlehrmethoden. Auch die Frage wird mich noch länger beschäftigen, wie Einzelne noch individueller gefördert werden und ultra-maßgeschneiderte und dennoch vergleichbare Ausbildungen bekommen können, ohne dass Lehrende dabei ausbrennen oder Hochschulen sich finanziell überheben. Diese aktuellen Trends zur Online-Lehre bedingen auch, dass die Lehrenden-Ausbildung, vor allem was Erhebung und Eingehen auf Vorwissen der Lernenden und eigene interpersönliche Kompetenzen online zu leben betrifft, angepasst werden muss. Es braucht eine gute Anleitung wie man wissenschaftliches Lehren online lehrt, die hoffentlich ähnlich leidenschaftlich geführt wird, wie in den letzten Jahren die Frage, ob Wikipedia eine Quelle in akademischen Texten sein darf und ob Handys und andere elektronische Hilfsmittel im Unterricht verboten werden sollten.

Wie könnten die nächsten 20 Jahre Hochschullehre aussehen?

Vielleicht werden auch in Europa in einigen Jahren reine Lehr- und Forschungsprofessuren Realität. Das wäre schade, da wie angeführt doch sehr vieles für die klassische Verschränkung von Lehre und Forschung spricht. Letztlich steht jedoch jede Lehrende und jeder Lehrende mehr oder minder alleine vor den Lernenden, muss jedes Studienjahr, jedes Semester, jede Woche, jede Stunde und bei jeder Interaktion ihre/seine Fähigkeiten immer wieder von Neuem aufrufen. Manchmal kann das klappen und sie werden immer besser, die Lehrenden immer gelassener und selbstbewusster vor der Klasse. Manchmal werden sich aber auch die Anforderungen an die aktuellen Lehrbedingungen anpassen oder eine Lehrende, ein Lehrender erkennt vielleicht, dass sie/er Defizite hat und sich in einem Bereich weiterbilden sollte.

Eine Kristallkugel besitze ich nicht, lassen Sie mich bitte zum Abschluss jedoch einen Wunsch aussprechen: Für die nächsten 20 Jahre Hochschullehre wünsche ich mir als Universitäts- und FH-Lektorin, dass weiterhin die Menschen im Vordergrund stehen können – Lernende und Lehrende zusammen! Ob ich online oder persönlich mit Lernenden zu tun habe, ob ich sie einmal pro Woche oder nur einmal pro Semester sehe, natürlich machen die jeweiligen Rahmenbedingungen einen großen Unterschied. Doch nur didaktisch bei der Vorbereitung! Als Lehrende habe ich dennoch IMMER mit Menschen – mit Lernenden und KollegInnen – zu tun. Ich wünsche mir, dass sich daran nichts ändert, ich für diesen Aspekt in der Vorbereitung und besonders für die Online-Lehre oder bei anderen Fernlehrmöglichkeiten jedoch weiterhin genug Zeit einräumen kann.

In eigener Sache

Im Herbst 2019 wird in Kooperation mit meiner geschätzten Kollegin und Co-Autorin Frau Dr. Andrea Klein von “Wissenschaftliches Arbeiten lehren” zu der hier angesprochenen und vielen weiteren wichtigen Themen in der Hochschullehre ein Fachbuch bei UTB-Haupt erscheinen. Besonders die Erstlehrenden, also Lehrende, die zum ersten Mal eine Vorlesung oder ein Seminar halten, stehen für uns im Fokus.

Das sagt unser Verlag zur Entscheidung unser Buch zu verlegen:

“Den Einstieg in die Hochschullehre erfolgreich zu meistern, ist nicht einfach: Wie gelingt es, den Anforderungen des Lehrstuhls/des Instituts gerecht zu werden? Wie gelingt es, die Studierenden abzuholen; die wesentlichen Inhalte in knapp bemessener Zeit zu lehren und gleichzeitig Begeisterung für das Studienfach zu wecken? Und wie soll es gelingen, neben diesem ganzen Anforderungskatalog die eigene Forschung und die eigene Karriere weiter voranzutreiben? Mit ihrem Ratgeber werden Andrea Klein und Natascha Miljkovic die offensichtlich dringend nötige Unterstützung leisten. Das praxisorientierte Konzept mit vielen Beispielen und Reflexionsfragen hat uns als Verlag sofort überzeugt.” (Dr. Martin Lind, Haupt Verlag, Bern/Schweiz)

Wenn Sie mehr über dieses Fachbuch wissen möchten und über das Erscheinungsdatum informiert werden möchte, können Sie sich in folgende Interessensliste eintragen: http://eepurl.com/dc0vd1

 

Print Friendly, PDF & Email
Tagged , , , , , , , , , , , , , , , , . Bookmark the permalink.

About Dr. Natascha Miljkovic

Inhaberin der Firma Zitier-Weise, Agentur für Plagiatprävention. Naturwissenschafterin mit viel Auslandsforschungserfahrung, Wissenschaftsberaterin und präventive Plagiatsprüferin. Berät Bildungseinrichtungen zum Themenkreis akademische Unredlichkeit und unterrichtet, wie man diese (z. B. Plagiate) nachhaltig vermeiden kann. Auch an allen anderen Themen in, um und durch Forschung und Bildungseinrichtungen interessiert.

One Response to Große Entwicklungschancen in der Hochschullehre

  1. Pingback: Aller Anfang ist… steinig? | Wissenschaftliches Arbeiten lehren