Nach mehreren Dienstreisen in den vergangenen Wochen, ging meine voletzte Reise nach Brno (Tschechien) am Freitag ereignisreich und sehr bestärkend zuende. Die Mendel Universität in Brno hatte zur dritten Internationalen Plagiarismuskonferenz geladen – aus allen Erdteilen außer der Antarktis folgten wieder zahlreiche KollegInnen dem Aufruf sich über „Plagiarism in Europe and Beyond“ (das Programm) auszutauschen.
Das war die dritte Plagiarismus-Konferenz!
Der Fokus der Veranstaltung lag dieses Jahr besonders auf Contract Cheating (kurz gesagt sind das unerlaubte Hilfeleistungen für Hausarbeiten in Schulen und an Hochschulen; bald mehr dazu in einem eigenen Blogbeitrag!). Nicht nur einige spannende neue TeilnehmerInnen folgten (mehr auch dazu in ein, zwei geplanten Bloginterviews im Herbst), die Konferenz ging auch mit einem Paukenschlag zuende: Die neu gegründete Plattform „ENAI“ (= European Network for Academic Integrity) wurde den Kolleginnen und Kollegen offiziell vorgestellt. Ich freue mich künftig als Supporting Expert daran teilzuhaben!
(Foto: Tag 1 – die Konferenz kann starten; (c) N. Miljkovic)
Tag 1 mit Stargästen
Der erste Konferenztag startete gleich mit einer tollen Keynote Speech von Tracey Bretag, einer australischen Kollegin, die erste Ergebnisse einer großen Studie des Hochschulwesens präsentierte. Besonders auch Australien wurde in den letzten Jahren von zahlreichen Skandalen rund um Plagiate und Machenschaften hunderter akademischer Ghostwriting-Agenturen erschüttert. Das „Outsourcing“ diverser Aufgaben von Studierenden (Contract Cheating) hat mittlerweile erschreckende Ausmaße angenommen, aber wo genau ende „gute Hilfeleistung“ und wo beginnt der Betrug?!
Der nächste „Stargast“ (für mich auf jeden Fall) war Jeffrey Beall, den Sie als treue Lesende von einem meiner kürzlich erschienenen Artikel über Fake Journals bereits kennen. Er berichtete unter anderem sehr eindrücklich von den Erlebnissen seines Kollegen Dr. Mark Fox, der als Whistleblower einen schweren Plagiatisten aufdeckte und selbst (auch per Gerichtsverfahren wegen angeblicher Diffamierung) an den Rande des Wahnsinns getrieben wurde. Fast kostete es ihn selbst Job und guten Ruf gegen grobes Unrecht einzustehen.
Mehrere KollegInnen betonen im Laufe der Konferenz die Wichtigkeit schon SchülerInnen mehr „science literacy“ beizubringen und die nötigen Skills upzudaten, die mit dem vermehrt kollaborativen Erstellen von Texten einhergeht. Am eindrücklichsten sprach Erik Borg darüber in seinem Vortrag „Intertextuality reconsidered“ – wir müssen zusammenarbeiten, das ist erstrebenswert, Intertextualität also nicht per se schlecht. Doch wie soll die Rolle der Bildungseinrichtungen von nun an definiert werden, wenn Informationen ohnehin immer und überall zu bekommen sind?
Der Arzt Marco Consentino schilderte einen verstörenden Fall von Falschautorenschaft, den er und seine KollegInnen am eigenen Leib ertragen mussten: Eine ehemalige Studierende veröffentlichte ohne sein Wissen noch das der anderen Beteiligten (einen vergaß sie zudem komplett auch anzugeben) Teile einer gemeinsamen Forschungsarbeit. Aus familiären Gründen konnte die Betroffene damals ihr Studium nicht an Consentinos Hochschule abschließen, danach muss sie wohl entschieden haben zumindest die wenigen Teile der bereits erledigten Arbeit zu publizieren und das ausgerechnet in einem Fake Journal. Consentinos langer Leidensweg beginnt dann, als Case Study schilderte er die Anstrengungen zunächst die Publikation zurückziehen zu lassen, später wenigstens seinen Namen von der Publikation nehmen zu lassen, bislang mit sehr geringem Erfolg.
Der zweite Konferenztag
Der britische Neurobiologe Phil Newton berichtete über einige Updates zu seiner Forschung an Ghostwriting und den bislang erhobenen starken Anstieg an Angebot wie Nachfrage! Zurück lässt er die erschütterten KollegInnen im Saal auch mit einer Mahnung an die eigene Kappe: lesen ProfessorInnen die gestellten schriftlichen Aufgaben eigentlich wirklich?! Wie kann es dann sein, dass so viel Quatsch, den billige Ghostwriter produzieren, durchgehen kann und benotet wird? Für mich persönlich stellt sich auch ganz stark die Frage nach der Wertigkeit unserer Lehre und unseres Bildungssystems ansich, wenn (zumeist wohl durchaus gut gebildete) Menschen Texte um so wenig Geld (auch schon mal nur 30 Pfund für eine Hausarbeit) anbieten.
Irene Glendinning, die „Grande Dame“ der Akademischen Integrität, stellt ihren weiter bearbeiteten „Academic Integrity Maturity Index“ der europäischen Länder vor. Diese SWOT-Analyse für Hochschulen analysiert die bereits unternommenen Schritte für mehr Integrität und Abläufe rundherum und erstellt eine Benchmark zu anderen ähnlichen Einrichtungen.
(Foto: Irene Glendinning über die unterschiedlichen Strategien einzelner Länder und
deren “Reife” bezüglich akademische Integrität; (c) N. Miljkovic)
Großes Finale am letzten Konferenztag
Nach einem weiteren mit Vorträgen vollgepackten Vormittag gelangt die Konferenz am Freitag schließlich in die Zielgerade. In einer packenden Paneldiskussion (siehe auch meine Tweets dazu vom 26.5. mit „Panel“ und dem Hashtag #plagiarism2017) sprachen vier ExpertInnen über Contrat Cheating und wie man damit umgehen kann oder sollte. Die zahlreichen Fragen aus dem Publikum zeigten sehr deutlich, dass man sich mit diesem Thema noch lange beschäftigen wird müssen, da stehen wir meiner Meinung nach wirklich erst an einem gemässigt weit vorangeschrittenen Anfang.
Teddi Fishman schließt mit einem fulminanten und witzigen „Powerpoint Karaoke“ die Konferenz erheiternd und losgelöst ab. Sie fordert: liebe Lehrende, probiert Euch aus! Geht neuen didaktischen Konzepten nach, egal was, nur bleibt bloß nicht beim immer währenden Fakten präsentieren und abfragen – das nützt niemandem!
Ausblick und Empfehlungen
Dank der EU-Förderung als Erasmus+ Projekt und des wachsenden Interesses am Thema Akademische Integrität in Europa wird diese Konferenz nun statt zweijährig jedes Jahr angeboten. 2018 wird sie in der Türkei stattfinden! Auch der Termin für 2019 steht bereits, das Gastland dann Lettland (Details zu beiden Veranstaltungen folgen zeitgerecht).
Zwar ist diese Konferenz eine Fachkonferenz, die hauptsächlich von Academic Integrity Officers wie mir und Forschenden in dem Bereich der akademischen Redlichkeit besucht wird. Aber nicht ausschließlich! Ich kann diese Veranstaltung auch Lehrenden im Hochschulbereich empfehlen:
Vielleicht haben Sie als Lehrpersonal ja schon ein paar Erlebnisse mit Plagiaten in studentischen Abschlussarbeiten gehabt und möchten wissen, wie Sie dem vorbeugen können.
Oder Sie sind als MitarbeiterIn der Hochschul-Administration an den zahlreichen Fürs und Widers zu den diversen „Plagiatsprüfprogrammen“ (Textanalyseprogrammen) interessiert.
Auch als ForschendeR, die mit diversen „kreativen“ Autorenschaften in Ihrem Fachbereich unzufrieden sind und sich erkundigen wollen, wie man sich dagegen wehren kann, finden Sie auf dieser Tagung viele Gleichgesinnte und noch viel mehr nützlichen Input.
Mein persönliches Fazit
Wie die beiden Male zuvor genoss ich auch diese Veranstaltung wieder sehr – beruflich, da das anwesende Fachpublikum wie immer hochrangig und sehr inspirierend vorgetragen hatte. Auch in so manchen Pausengesprächen und während der liebevoll vorbereiteten Social Events (vielen DANK an das Team um Tomas und Dita!) wurde viel über die Arbeit berichtet und Erkenntnisse aus aller Herren Länder verglichen!
(Fotos: das Konferenzdinner fand im Science Center von Brno statt; Ausflug zum
Schloß Slavkov; Blick auf die ehemaligen Schlachtfelder Napoleons bei Austerlitz;
Peace Monument bei Austelitz (von oben nach unten); (c) N. Miljkovic)
Aber auch privat war die Konferenz sehr gelungen, zum Einen, weil ich Brno als Stadt sehr schätze und mich gefreut habe wieder einmal dort sein zu können. Und dann sind da noch viele „alte“ und ganz frisch gefundene FreundInnen und KollegInnen aus aller Welt, die mich mit ihrem Interesse und ihrer Begeisterung immer anzustecken wissen!
Ja, Herausforderungen sind wahrlich noch viele zu meistern! Auch wenn es manchmal gar nicht so klingt, ich regelmässig über Probleme (wie bald auch zu Contract Cheating) berichte(n muss) und sich die Abläufe an Hochschulen manchmal scheinbar kaum vorwärts bewegen.
Es ist dennoch auch sehr ermutigend in diesem Arbeitsbereich tätig zu sein und zu hören, dass alle Bildungsbereiche im selben Boot sitzen – niemand ist vor allerhand Überschreitungen der guten wissenschaftlichen Praxis geschützt. Der Prozess der Prävention gegen Plagiat und Co. ist zudem nie ganz abzuschließen, weil immer neue Studierende (und Lehrende) darüber aufgeklärt werden wollen, die Chancen sich als Einrichtung stetig zu verbessern sind also immer gegeben!
In diesem Sinne – mit Freude zurück an die Arbeit!
Artikel von Natascha Miljković, 1.6.2017
© aller Texte: Dr. in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2017.
© Abbildungen: wie angegeben.
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