Kategorisierungen sind grundsätzlich etwas Praktisches, außer wenn es um Menschen und ihre – vermeintlichen – Eigenschaften und Eigenheiten geht. Besonders der Begriff Introvertiertheit ist dermassen falsch verstanden, dass es fast schon an Diskriminierung grenzt.
Klischee lass nach
Die einen sitzen nur still im Eck herum und trauen sich niemanden anzusprechen. Die anderen flirren fröhlich und laut lachend von einem zum anderen und sind die Seele jeder Party.
Die einen haben keine Freunde, weil sie zu schüchtern sind ins Gespräch zu kommen. Die anderen sind erfolgreich, reich und schön.
Die einen sind introvertiert. Die anderen extrovertiert. Wenn es so leicht wäre …
Introvertiert sein ist keine Krankheit
Man sollte es nicht für möglich halten, doch für Intros gibt es Selbsthilfegruppen, Ratschlag-Bücher, wie sie ihren „Charakter“(!) ändern können usw. Muss das sein? Besieht man sich gängige Definitionen und Beschreibungen dazu, liest man lediglich von introvertierten Menschen, die gerne mit sich alleine sind, unter Menschen lieber zuhören statt zu reden und sich allgemein mit Menschen kennenlernen ein wenig länger Zeit lassen möchten, weil sie eher in die Tiefe gehen.
Dazu habe ich einen interessanten Blog eines “Betroffenen” gefunden, der unter anderem eine Sammlung von Eigenschaften Introvertierter bietet. 10 klassische Mythen lassen sich auch auf dieser Website nachlesen.
Ja, ich selbst gehöre auch zu dieser Gruppe von Menschen, was meine besten FreundInnen jedoch nie so ganz glauben können. Klar, die kenne ich zum Teil schon seit Jahrzehnten, mit ihnen um mich herum bin ich daher sicher, wie die sind, wie sie reagieren, wie lange ich blödeln kann usw. Da hat man sich ja schon längst geöffnet und kann sehr locker und spaßig werden, auch als Intro.
Introvertiert zu sein, heisst keinesfalls – auch das weiß ich aus eigener Erfahrung – asozial zu sein und Menschen nicht zu mögen, nicht spannend und unterhaltsam vortragen zu können, keine einE PartytigerIn zu sein oder der Kasperl am Tisch, ungern zu flirten, völlig fremde Menschen nicht kennenlernen zu können und zu wollen und keinen Smalltalk zu betreiben.
Es geht nur nicht immer und nicht immer ganz so schnell und unbekümmert vonstatten! Und dass das nicht erkannt wird nervt schon gelegentlich sehr.
(Foto “The Circus Girl” von plaisanter @ Flickr)
Extrovertiert werden ist auch keine Lösung
Der berühmte Schweizer Psychiater und Psychotherapeut C. G. Jung hat den Begriff Introversion in den frühen 20er Jahren geprägt. Laut Jung ist es gewissermassen naturgegeben, in welche „Kategorie“ man eher fällt. Doch sollte man nicht vergessen, alle Menschen haben sowohl intro- als AUCH extrovertierte Eigenschaften!
Mit ziemlich respektlosen Klassikern a la „Sei doch auch einmal lustig, beisst Dich schon niemand!“ oder „Mach mal für den Abend ein wenig auf extrovertiert!“ ist Intros wirklich nicht geholfen! Also ich bin jedenfalls kein Zirkuspferdchen und weigere mich zu einem gemacht zu werden! Meist kommt es schlicht auf die Frequenz und Dauer der Treffen mit Fremden oder wenig bekannten Menschen an. Man erschöpft als Intro schneller und muss seine Batterien länger aufladen. Mehr steckt hinter unserem “komischen” Verhalten meist nicht dahinter!
Die Einteiung in Intro- und Extrovertierte wäre im Sinne C. G. Jungs also generell eine neutrale. Doch seither wurde sie und damit einhergehenden häufig negativen Zuschreibungen für Introvertierte deutlich pervertiert. Helfen würde vorallem eines:
Seien wir doch bitte alle ein wenig toleranter
anderen Lebewesen und Lebeweisen gegenüber!
Falls Sie sich mit diesen Themen näher auseinander setzen möchten, können Sie z. B. einen Online-Test machen, so Sie nicht wissen, welche “Kategorie” die Ihre ist und auch dieses Buch (aus dem der Test entnommen ist) ist empfehlenswert: „Intros und Extros: Wie sie miteinander umgehen und voneinander profitieren.“ von Sylvia Löhken (2014) bei Gabal erschienen.
Artikel von Natascha Miljković, 2. Oktober 2014
© aller Texte: Dr. in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2014.
© Abbildungen: wie angegeben.
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