Mehrmals während der diesjährigen Alpbacher Hochschulgespräche kamen die Diskussionen rund um die latente Unterfinanzierung der Wissenschaft auf einen kleinen und sehr zerbrechlichen grünen Zweig: die Gesellschaft muss mehr von Forschung verstehen lernen! Dann wären PolitikerInnen auch viel unterstützender und es gäbe sicherlich endlich mehr Geld für Forschung.
Dieser Zweig war meist schnell geknickt – die einen meinten, es könne ja wohl schlecht NOCH mehr von Forschenden verlangt werden, als das derzeit ohnedies schon gemacht würde. Sollen sie jetzt auch noch unter die Profi-BloggerInnen und PR-SpezialistInnen gehen, damit die letzte Oma hinterm Ofen auch endlich alles verstünde?
Die anderen meinten Open Access aller Forschungsergebnisse sei das Allheilmittel, dann würden alle weltweit Forschenden viel besser zusammenarbeiten können und dadurch viel mehr erreichen. Und eine dritte Strömung an MeinungsmacherInnen war gar der Ansicht, Wissenschaft müsse nicht an die Bevölkerung herangebracht werden, sondern umgekehrt – die Gesellschaft solle in der Forschung stets mitgedacht werden. Als Analogon zum „Gender Mainstreaming“ meint man mit „Social Mainstreaming“ sei so lange verpflichtend das Gesellschaftswohl auch in Forschungsanträgen einzubauen, bis es sich automatisch verbessert habe mit der Einstellung zur Wissenschaft, und der Gesellschaft.
(Foto “no secret science” von Derek Keats @ Flickr)
Keine geheime Forschung
Natürlich beinhaltet jeder Vorschläge bzw. Denkrichtungen eine völlig ernst zu nehmende Berechtigung und hat durchaus einige wichtige Vor- und Nachteile vorzuweisen. Klarerweise bedarf es für die „Science Translation“ (siehe dazu auch Beitrage 1 und Beitrag 2 in der Vorwoche) ausgebildeter JournalistInnen, das kann nicht von WissenschafterInnen auch noch bewältigt werden. Die wissenschaftliche Sprache ist der Mediensprache doch sehr unähnlich, der Fokus ein völlig anderer.
Anders als viele PR-Leute und JournalistInnen bin ich jedoch nicht der Meinung, dass Artikel oder Pressemeldungen zu schreiben ohne auch ein entsprechendes Studium in dem jeweiligen Wissenschaftsbereich zu haben, tatsächlich allzu günstig ist. Viel zu oft passieren starke, bisweilen gar schon groteske, Übertreibungen von Forschungsinhalten in Medienberichten, die in der Wissenschaftsgemeinschaft zumeist heftige Zurechtweisungen und Häme hervorruft. Viele WissenschafterInnen fühlen sich dadurch mittlerweile im Umgang mit Medien wieder deutlich gehemmter als sie schon gewesen waren. Keine so überzeugende Entwicklung!
Die Verbesserung von „Science Translation“ und „Science Literacy“ (also das Wissenschaftsverständnis von LaiInnen) sind wichtige Ziele, keine Frage! Dafür allerdings reisserisch ein Publikum zu bedienen und dabei alle Regeln wissenschaftlicher Kommunikation über Bord zu werfen, passen für mich keinesfalls zusammen. Im Wissenschaftsbereich hingegen größtenteils doch eher befürwortet werden die diversen Open Science-Bestrebungen. In wie weit man dadurch allerdings rezente Probleme mit Peer Review-Systemen und überteuerten Lizenzen für Journale lindern kann, ist schwierig abzuschätzen.
Sesam öffne dich!
Wichtig für das Image der Forschung ist, sie nicht zu verstecken! Die Zeiten sind lange vorüber, wo Forschende auf Jahrzehnte in ihren Kämmerlein alleine herumkrabbeln konnten, man sich reichlich Zeit für Forschung und Publikationen nehmen konnte, hehre Streitschriften hin- und herschickte und Studierende zur Betreuung an Assistenten abgetreten hatte. Ja, die Anforderungen stiegen seither zum Teil enorm an aber das Ansehen – besonders der Lehrtätigkeit – sank. Das Image der Wissenschaft hat sich verändert, doch noch kann am modernen neuen Image gearbeitet und nachgebessert werden! Diese Chance sollte dringend wahrgenommen werden.
Die Wissenschaft mutierte mehr und mehr zu einem Dienstleistungssektor, was grundsätzlich keine ganz schlechte Einstellung dazu wäre: WissenschafterInnen leisten ja sehr wertvolle Dienste an der Gesellschaft, ganz zu schweigen vom wichtigen Dienst der Lehre. Hier kann keine noch so schöne „Lange Nacht der Forschung“ oder lustige „Kinderuni“ – beides selbstverständlich ganz fantastische Maßnahmen!! – an Institutionen Abhilfe schaffen.
Das neue Schlagwort in Alpbach lautete 2014 daher auch „Social Mainstreaming“, es soll das neue „Sesam öffne dich!“ der Wissenschaft werden: Was es jetzt benötigt ist das Verständnis und die Weitsicht aller WissenschafterInnen Auswirkungen ihrer Arbeit großräumig zu bedenken. Und die Gesellschaft muss davon erfahren dürfen, mehr noch, muss mitdiskutieren und mitbestimmen dürfen! In Betrieben gibt es Aufsichtsräte, warum nicht auch einen Aufsichtsrat aus BürgerInnen für die Wissenschaft?! Nachhaltigkeit und soziale Auswirkungen dürfen nicht nur in der Wirtschaftsbranche dümpeln, auch die Forschung – und ich propagiere hier: in jeder Fachrichtung – soll sich damit auseinander setzen müssen! Allgemein bin ich sowieso für viel mehr Fragen stellen und viel mehr Debatten ausfechten!
Am Mittwoch berichte ich in Teil 4 meiner Alpbach-Retrospektive vom Alpbacher Brainstorming zu „wissenschaftlich schreiben ist …“.
Artikel von Natascha Miljković, 8. September 2014
© aller Texte: Dr. in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2014.
© Abbildungen: wie angegeben.
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