Plagiatsprävention funktioniert nicht wie ein IKEA-Regalsystem

Ganz ohne irgendein berufliches Interesse kam mir dieser Gedanke, als ich gestern zur Entspannung am Nachmittag wahllos ein paar YouTube-Videos angesehen hatte. Eine YouTuberin machte ein Statement, das ich zunächst nicht wirklich beachtet hatte. Heute, einen Tag später, merke ich – dieser Spruch hat doch stark in mir resoniert!

Sie sagte da ganz schnörkellos: Viele Menschen lieben IKEA, sie nicht. Manche Menschen mögen es eben einfach und „one size fits all“. Das ist ja auch viel günstiger, einfacher und besser kombinierbar. Sie aber liebe dennoch alte Möbel mit Individualität viel mehr, die ganz genau auf sie und nur sie und ihre Lebenssituation passen, und Geschichte in sich tragen.

Es ist eben jeder Mensch anders! Jede und jeder lebt nur ein Leben und das ist ihres/seines, das keinem anderen Leben gleicht. Da passt eben ein System nicht unbedingt für jeden!

 

Wen sprechen wir mit Plagiatsprävention an?

Umgelegt auf meine Arbeit mit Plagiatsprävention ist es ziemlich ähnlich: man darf keinesfalls alle Studierenden über einen Kamm scheren! In unserem Fall geht es allerdings nicht um Geschmack, persönliche Präferenzen und Befindlichkeiten Einzelner. Hier geht es um die Gesamtheit aller Beteiligten an einer Hochschule, also Studierende, Lehrende und Administration. Das wird man beim Designen der „Auswahl“ natürlich berücksichtigen müssen.

Die Rollenverteilung ist hier freilich auch ein wenig anders gelagert: die „Angebote“ sind diverse Informations- und Lehrveranstaltungen sowie Beratungen zu wissenschaftlicher Literatur, wissenschaftlich Schreiben, korrekt Zitieren und Plagiate vermeiden aller Art. Die „DesignerInnen“ der Angebote sind Lehrende (interne wie externe) und die „Verkaufsräume“ dafür bietet die jeweilige Administration Studierenden wie auch Lehrenden an.

Zu bedenken ist außerdem, dass jede Hochschule oder Bildungseinrichtung ihrerseits wieder wie ein Individuum agiert! Nur weil an einer anderen Hochschule ein bestimmter Weg zur Plagiatsprävention toll klappt, heisst das noch lange nicht, dass das für jede Institution gleich sein muss!

 

lampan
(Abb. “lampan” von Daniel Saakes @Flickr)

 

Was brauchen unsere Studierenden und Lehrenden?

Plagiatsprävention soll also für die Bedürfnisse verschiedener Gruppierungen innerhalb einer Hochschule angeboten werden:

  • Da wären sicherlich die StudienanfängerInnen bis Bachelorstudierenden, die noch sehr viel Handwerkliches lernen müssen, zu nennen,
  • deutlich fortgeschrittenere Master-Studierende, die schon einige Texte selbst verfassen mussten und sich vertiefen wollen und
  • DissertantInnen, die im Hinblick auf Plagiate (und andere Probleme rund um Publikationen) geschult werden möchten.

Auch die Gruppe der Lehrenden sind keine homogene Gruppe:

  • Postdocs, die häufig ganz neu auch als Lehrende tätig sind und am Einsatz von Plagiatsprävention im Umgang mit ihren Studierenden interessiert sind,
  • externe Lehrkräfte, die vielleicht schon länger im Berufsleben stehen und Auffrischung in Sachen Zitierstile und Plagiate benötigen und
  • erfahrende Lehrende, die regelmäßig ganz unterschiedliche Arten von Publikationen verfassen (z. B. Skripten für Vorlesungen, Guidelines, Publikationen für wissenschaftliche Journale, Artikel in populärwissenschaftlichen Magazinen, Sachbücher usw.).

Alle diese Stakeholder haben „Geschichte(n)“ rund um das wissenschaftliche Arbeiten gesammelt, nur eben NICHT in gleichem Ausmaß. Alle benötigen es für das eigene Schreiben, doch eben NICHT mit den selben Zielsetzungen!

 

Gegen Extrawürschte, für mehr Fall-zu-Fall-Lösungen!

Diese Unterschiede gilt es herauszuarbeiten und zu betreuen. Klar ist auch: die “eierlegende Wollmilchsau” kann es schon aus Budgetgründen nicht geben! Sprich, ein paar Kurse müssen für die Bedürfnisse aller ausreichen. Also doch ein IKEA-System für Fortbildungen gegen Plagiate!? Nicht ganz! Hier kommt der oben genannte Vergleich mit alten Möbeln mit Charme und Geschichte nämlich noch einmal ins Spiel: ZUSÄTZLICH zu Standard- und Aufbaukursen sollte die Administration immer auch einzelne individuellere Möglichkeiten anbieten – IKEA Hacks für Plagiatsprävention also!

Ja, diese Kurse zu Plagiatsprävention zu haben ist toll und äußerst nützlich, vor allem, um mehr Aufmerksamkeit für mögliche Stolperfallen in Sachen Plagiat zu erreichen (ich spreche hier aus Erfahrung, schließlich biete ich seit mehr als 4 Jahren solche Veranstaltungen für Lehrende und Studierende in ganz Österreich und im Ausland sehr erfolgreich an, LINK ZU AKTUELLES).

Um Akutes abzudecken, sind Kurse allerdings gar nicht geeignet! Selten ist Zeit alle Fragen zu beantworten, meist bringen Studierenden und Lehrenden keine eigenen Texte mit in die Kurse um konkreter fragen zu können und ganz viel wird den TeilnehmerInnen auch erst zuhause am eigenen Schreibtisch wirklich bewusst (weshalb ich grundsätzlich anbiete, meine TeilnehmerInnen dürfen mir auch nach einem Kurs jederzeit gerne Fragen schicken).

Wenn es brennt und kein Kurs in Sicht ist, sind solche Zusatz-Angebote oder Fall-zu-Fall-Lösungen höchst effizient, zum Beispiel folgende:

  • Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten/Abschlussarbeiten“: wie der Name schon sagt sind diese Formate hauptsächlich für Studierende geeignet, die an eigenen Schreibarbeiten sitzen. Das „Wir-Gefühl“ (anderen geht es ja ganz ähnlich) wirkt als starker Motivator sich endlich auf die eigenen vier Buchstaben zu setzen und durchzustarten. Für Fragen stehen meist erfahrenere Peers, Schreibcoaches, BibliothekarInnen und Lehrende zur Verfügung. Der Aufwand ist für ein maximal einmal pro Semester stattfindendes Event eher gering, Ehrenamtliche helfen die Kosten niedrig zu halten, die Fragen können am eigenen Text und ganz konkret gestellt werden.
  • An der Universität Graz haben meine KollegInnen vom Schreibzentrum kürzlich auch einen Langen Schreibnachmittag“ ähnlichen Formats veranstaltet, der besonders Familienvätern und -müttern zugute kommen konnte, die mangels Kinderbetreuungsmöglichkeiten am Abend nicht zur „Langen Schreibnacht“ kommen konnten. Eine wirklich tolle Idee, wie ich finde!
  • Peer Tutoring und Schreibgruppen: meist lokal aber auch in Facebook-Gruppen und per WhatsApp geben Erfahrene weniger Erfahrenden Infos und Tipps weiter. Klar besteht die Gefahr natürlich auch, dass falsch Verstandenes tradiert wird (siehe meine Artikel zu Plagiats- und Schreibmythen), aber der Nutzen überwiegt doch sehr. Hier ist man unter annähernd Gleichaltrigen und kann sich viel ungezwungener Austauschen, die Angst vor „dummen Fragen“ sinkt.
  • Schreibberatung der Schreibzentren: an vielen deutschsprachigen Hochschulen und Bildungseinrichtungen wurde der Nutzen von Schreibzentren (oder zumindest regelmäßigen, lokalen Schreibangeboten) endlich erkannt und die entsprechenden Kursprogramme erfolgreich ausgebaut.
  • Beratung zu Plagiatsprävention: telefonisch, persönlich, im Chat, per Skype … die Möglichkeiten sind zahlreich vorhanden (auch ich biete regelmässige Beratungen an!).
  • Online-Kurse und Tutorials: es gibt auf YouTube nichts, was es nicht gibt. So auch zahlreiche Videos rund Tutorials zum wissenschaftlichen Schreiben, Zitat und Plagiatsprävention. Mit dieser Möglichkeit kann man sich sehr niederschwelig und rasch Infos holen. Nachteil ist, man weiss als Laie nicht unbedingt, wie gut oder korrekt die Informationen aufbereitet sind. Am besten halten Sie sich hier an namhafte Einrichtungen, wie Universitätsbibliotheken und Hochschulen, die Informationen bereitgestellt haben. Ich kann den kostenlosen Online-Kurs von „FutureLearn“ über akademische Integrität empfehlen sowie die knackig aufbereiteten Infos von Expertin Huberta Weigl von der “Schreibwerkstatt Wien”, die auch einen eigenen YouTube-Kanal hat
  • Ask a Librarian: manchernorts gibt es sogar diese sehr charmante Möglichkeit sich beim Recherchieren durch Fachkäfte der Bibliotheken unterstützen zu lassen. Unbedingt nutzen, wenn die Recherche schwer ins Stocken geraten ist!
  • Sprechstunden: Sprechstunden gilt es natürlich zuerst von den eigenen Betreuenden zu nutzen, falls man als StudierendeR trotz nachlesen/nachsehen bei schwierigen Fragen nicht mehr auf einen grünen Zweig zu kommen scheint. Dazu gibt es auch Angebote von Serviceeinrichtungen, wie studienpsychologische Beratung und andere, die einem auch ganz unbürokratisch und meist kostenlos unterstützen können.

 

IKEA-Mentalität kombiniert mit Individualität klappt!

Ein Grundgerüst an Informationen und Weiterbildungen muss für eine gelungene Plagiatsprävention an jeder Bildungseinrichtung unbedingt aufgebaut werden, und zwar für Studierende und Lehrende! Das betrifft meiner Meinung nach auch schon höhere Schulen, um SchülerInnen auf den wahrscheinlich bald bevorstehenden Wechsel auf eine Hochschule gut vorzubereiten.

Wie diese Infos angeboten werden – online oder Präsenzkurs, informative Website oder Handouts – darüber kann sehr individuell entschieden werden, Hauptsache ist, die angebotenen Informationen werden regelmässig gewartet (das sehe ich derzeit leider nur selten!). Diese Angebote werden dann auch das Gros an Informationsbedarf mit relativ wenig Aufwand an Ressourcen abdecken können!

Absolut essentiell sind aber die Zusatzangebote, die Einzelne niederschwellig unterstützen! Eine Hochschule oder Bildungseinrichtung kann natürlich nicht für jede Eventualität seiner MitarbeiterInnen und Studierenden allzeit gewappnet sein, doch individuelle Angebote wie oben beschrieben, können clever über das Semester verteilt angeboten sehr viel bewirken, vor allem aber die Angst vieler Studierender etwas unabsichtlich falsch zu machen und doch Plagiate zu produzieren deutlich reduzieren.

Auch von Lehrenden wird Druck weggenommen! Zwar werden sie immer verantwortlich sein akademische Integrität mit Studierenden zu etablieren, aber sie sind nicht mehr die Einzigen. Sie können Studierende auch mal auf weiterführende Angebote verwiesen und sich so in Vorlesungen mehr auf Fachliches konzentriert werden.

 

Artikel von Natascha Miljković, 7. Juni 2017

© aller Texte: Dr. in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2017.
© Abbildungen: wie angegeben.

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About Dr. Natascha Miljkovic

Inhaberin der Firma Zitier-Weise, Agentur für Plagiatprävention. Naturwissenschafterin mit viel Auslandsforschungserfahrung, Wissenschaftsberaterin und präventive Plagiatsprüferin. Berät Bildungseinrichtungen zum Themenkreis akademische Unredlichkeit und unterrichtet, wie man diese (z. B. Plagiate) nachhaltig vermeiden kann. Auch an allen anderen Themen in, um und durch Forschung und Bildungseinrichtungen interessiert.

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