Man kann gar nicht genug betonen, wie wichtig es ist, möglichst diverse und fächerübergreifende Kompetenzen zu besitzen! Oder möchten Sie zum Beispiel einen Arzt konsultieren, der Sie zwar sehr gut operieren kann, aber Sie beim PatientInnengespräch völlig ignoriert, Ihre Bedürfnisse nicht erkennen kann und Ihnen nicht erklärt, was mit Ihnen gemacht wird? Also ich bestimmt nicht!
Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit soft skills der Studierenden und unterrichte auch, wie sie bei manchen Skills (Selbstorganisation, Motivation, lernen lernen) besser werden können. Darum freue ich mich ganz besonders dieses Buch rezensieren zu dürfen! Ich danke dem UTB-Verlag für die Zurverfügungstellung des Rezensionsexemplares sehr herzlich!
Rezension
Viele Hochschulen im deutschsprachigen Raum gingen in den letzten Jahren durch einen tiefgreifenden Wandel – die Umsetzung der Bologna-Studienarchitektur. Diese und auch der Arbeitsmarkt fordert von Hochschulen und Studierenden mehr kompetenzbasiertes Lernen, was Hochschulen in Zugzwang bringt gute und auch fächerübergreifende Angebote zu entwickeln. Im Zentrum stehen dabei einmal mehr engagierte Lehrende.
In diesem UTB-Sachbuch von Herausgeber Detlef Ufert finden Unterrichtende in fünf Großkapiteln Informationen zu Definition, Einbindung und didaktische Aspekte zur Vermittlung entscheidender Schlüsselkompetenzen. Kapitel 4 beschäftigt sich mit den vier wichtigsten „Lernräumen“: Selbstkompetenz, sozial-kommunikative Kompetenz, Sachkompetenz und gesellschaftliche Kompetenz. Im abschließenden Kapitel 5 wird die Profilbildung genauer besprochen.
Zu Kapitel 1 – Fächerübergreifende Kompetenzen im Studium
Die Welt ist, wie Ufert treffend beschreibt, eine komplexe und herausfordernde geworden, ganz besonders für junge AbsolventInnen, die erst ins Berufsleben eintreten wollen und dafür den Kampf um einen guten Arbeitsplatz für sich gewinnen müssen. Dieser K(r)ampf wird zusätzlich zu Fachkompetenzen fast ausschließlich auch über andere, sogenannte Schlüsselkompetenzen ausgetragen.
Das Problem bei fächerübergreifenden Angeboten und wohl auch der Hintergrund zu diesem Buch, ist meist, dass man sich auf keine klare und zukunftsorientierte Linie einigt, vielleicht auch weil man zu fachbezogen bleibt, oder zu unkoordiniert vom Einen zu viel und vom Anderen zu wenig anbietet und manches ganz vergisst. Wie Ufert anführt, darf die Wertevermittlung und Persönlichkeitsbildung im Laufe des Studiums ebenfalls nicht vernachlässigt werden (S. 14 f.). Viele KritikerInnen bemängeln jedoch schon die zu intensive Ausrichtung von Hochschulen, namentlich der Universitäten als Orte der höheren Lehre und Forschung, für den Arbeitsmarkt im Sinne der employability (Beschäftigungsfähigkeit) bzw. gar Defizite aus dem Elternhaus nachzuholen. Viele sehr diverse Anforderungen an Hochschulen und somit an Lehrende also. Was machen wir nun?
Zu Kapitel 2 – Einbindung von Schlüsselkompetenzen in Studienabläufe
Interessant sind die unterschiedlichen Blickwinkel und Definitionen zu Schlüsselkompetenzen; schon 1993 führte eine Publikation mehr als 650 unterschiedliche Kompetenzen auf. Sehr toll Uferts Erläuterung, dass der Begriff Kompetenzen trotz einer vermeintlichen Eindeutigkeit eigentlich nur ein theoretischer ist, denn Fähigkeiten zeigen sich immer situationsbedingt (oder auch nicht). Aus diesem Grunde sind auch Assessmentcenter bei Bewerbungen so beliebt!
Eine gute Portion Selbstreflexion und die grundsätzliche Fähigkeiten Erlerntes auf geänderte Situtationen anzuwenden sind zweifellos die beiden zentralen Kompetenzen, um nicht lebenslang einE „FachidiotIn“ zu bleiben! Die Basis bilden jeweils die Persönlichkeits- und Verhaltenseigenheiten der einzelnen Personen (individuelle Dispositionen), worauf in großangelegten Programmen zwar nicht individuell eingegangen, durch „additive Module“ jedoch dennoch gefördert werden kann. Andererseits können Schlüsselkompetenzen aber auch integrativ (das heisst, von fachlichen Inhalten ausgehend vermittelt) bzw. als Mischform, der kooperativen Strategie, gelehrt werden. Sobald in einem Lehrgang einzelne Lehrelemente auch praxisorientiert gelehrt oder geprüft werden, werden zumeist auch einige Schlüsselkompetenzen Huckepack mitgelehrt.
(Foto “Collaboration” von Ben Grey @ Flickr)
Zu Kapitel 3 – Didaktische Aspekte
In diesem kurzen Kapitel beschreibt Ufert einige der wichtigsten Lernformen: problembasiert, forschend, in Projekten und Praktika. Da dieses Buch ausdrücklich für Lehrende gedacht ist, könnte man das meiner Ansicht nach getrost ganz streichen, da das das absolute didaktische Grundrepertoir zu sein hat, wenn man unterrichtet. Zudem erkenne ich für einzelne Lehrende darin auch keine brauchbaren didaktischen Aspekte, wie in der Kapitelüberschrift versprochen wird.
Zu Kapitel 4 – Vier Lernräume für Schlüsselkompetenzen
Genug der einleitenden Worte! Zusammen mit 9 Co-AutorInnen geht Ufert nun ans Eingemachte bzw. an vier wichtige Schlüsselkompetenzen:
Selbstkompetenz mit genauerer Erläuterung der Aspekte Selbstsicherheit, Selbstorganisation und Umgang mit Neuem und Anderem;
sozial-kommunikative Kompetenz mit nonverbaler, verbaler, Interaktions- und interkultureller Kompetenz;
Sachkompetenz mit Gliederung in unternehmerische, juristische, informationstechnische und Fremdsprachenkompetenz;
gesellschaftliche Kompetenz mit den Aspekten politische, ökologische, ökonomische sowie Ethik- und kulturelle Kompetenz.
Jedes der Unterkapitel und seiner diversen Aspekte ist nach einem einheitlichen Schema besprochen, was ich sehr gut finde, da es Übersichtlichkeit und eine bessere Vergleichbarkeit erlaubt. Nach einem einführenden Teil wird die individuelle Relevanz, die Relevanz im Hochschulkontext, professionelle und gesellschaftliche Relevanz, eine Definiton, allgemein erwerbbare Fähigkeiten, Wissenselemente, Strategien, ein Katalog(sic!) beispielhafter Lehrveranstaltungen und eine exemplarische Darstellung einer Lehrveranstaltung besprochen.
Die Gliederung in diese einzelnen Aspekte ist bei näherem Hinsehen ein wenig schwierig und wirkt teils eher künstlich: z. B. gibt es ein Unterkapitel Umgang mit Neuem und Anderem innerhalb der Selbstkompetenz (S. 70 ff.) aber auch interkulturelle (S. 122 ff.) wie auch eine extra genannte kulturelle Kompetenz (S. 230 ff.) in späteren Kapiteln. Die Erklärungen dazu sind zum Teil auch wenig schlüssig – ist Umgang mit Neuem und Anderem (Offenheit) nun eine Kompetenz oder ein Persönlichkeitsmerkmal? Laut eigenen Ausführungen ist diese Unterscheidung sehr relevant, denn Persönlichkeitsmerkmale könnten nur sehr bedingt geändert werden. Im Text werden die Begriffe ein wenig gemischt verwendet, scheint mir.
Die Idee neben Beispielen von bereits bestehenden Lehrveranstaltungen auch exemplarische zu offerieren ist gut. Meiner Erfahrung nach wäre es aber günstiger gewesen keine Pläne für ganze Lehrveranstaltungen – teilweise mehrwöchig! – zu schildern, sondern kleine Inputs und einfache Methoden zu liefern, wie Lehrende wie ich diese Skills auch in ihren Veranstaltungen fördern könnten. Diese Ideen sind durchaus vorhanden, verstecken sich leider aber ein wenig in den gründlichen Ausführungen.
(Foto “Yochai Hands” von “jeanbaptisteparis” @ Flickr)
Zu Kapitel 5 – Profilbildung
Zum Abschluß bespricht Ufert kurz die Profilbildung bezüglich Kompetenzen aus Sicht der Hochschulen (die dies zentral durch eigene Zentren oder dezentral in den jeweiligen Instituten machen könnten) und aus Sicht der Studierenden. Sehr ehrlich sein Einwurf, alle der geschilderten Schlüsselkompetenzen seien sehr wichtig, doch haben Studierende die Zeit alle zu lernen? NEIN! Ich sehe es genau so, das ist aber auch eine große Chance unserer Zeit, die, wie Ufert weiter beschreibt, zunehmend von der Diversifizierung von Bildungs- und Berufsbiografien gekennzeichnet ist! Ziel ist also für Studierende selbst nach den eigenen Interessen und Zielen zu entscheiden, was sie lernen und verbessern möchten, denn – „die Mischung macht’s“! Schade, dass es kein zusammenfassendes und abschließendes Fazit Uferts gibt, das hätte ich noch sehr spannend gefunden.
Mein Fazit zum Buch
In den einleitenden Kapiteln 1 und 2 geht mir ein wenig die große Hinleitung, der Rahmen, ab. Es werden schnell einige konkrete Beispiele gebracht, es kommt jedoch kein „Motivationsschreiben“ für genau dieses Buch vor. Eine wichtige Frage, die ich persönlich jedoch immer beantwortet finden möchte, wenn ich ein Buch aufschlage.
Die Chance zur „Wiedergutmachung“ hätte in Kapitel 5 erfolgen können, das gespickt mit tollen Gastbeiträgen von GastautorInnen, doch kaum konkrete Ideen und Tipps für Einbau von Kompetenzförderung im Unterricht bietet. Diese sind sehr ausführlich und wohl eher für didaktische StrategInnen als (Fach-)Lehrende geeignet.
Die Abbildungen sind relativ klein und ausschließlich schwarz-weiß-grau gehalten und tragen kaum zum besseren Verständnis des Textes bei oder geben extra Informationen. Die umfangreiche Literaturliste im Anhang ist sehr eindrucksvoll und gespickt mit fantastischen Werken rund um Kompetenzen und Kompetenzerwerb – sehr hilfreich!
Ingesamt ein sehr gut herausgegebenes Buch zu Schlüsselkompetenzen und ihren Hintergründe. Für Lehrende ist es eventuell nicht unbedingt direkt geeignet, doch bietet es viele sehr gute Hintergrundinformationen und regt zum Nachdenken an, wie man den eigenen Unterricht und seine Lernziele noch ein wenig genauer definieren bzw. sogar ausbauen könnte. Das Anregen hätte gerne noch konkreter und in kleineren Einheiten sein dürfen!
Waschzettel zum Buch
Detlef Ufert (Hrsg.)
“Schlüsselkompetenzen im Hochschulstudium – eine Orientierung für Lehrende”
2015
UTB/ Verlag Barbara Budrich, Opladen & Toronto
278 Seiten
ISBN 978-3-8252-4140-7
Artikel von Natascha Miljković, 30. Juni 2015
© aller Texte: Dr. in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2015.
© Abbildungen: wie angegeben.
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