Selbstplagiate (auch Eigenplagiate oder Autoplagiate genannt) fallen theoretisch unter unredliches akademisches Verhalten. Das Konzept ist aber umstritten: Wie kann man denn bitte von sich selbst abschreiben?! Klingt seltsam, ist es auch! Urheberrechtlich betrachtet existieren Selbstplagiate nämlich gar nicht: Ein Plagiat ist als Nutzung von Ideen und Formulierungen anderer(!) Personen ohne korrekte Nennung definiert. Wieso spukt dann dieses Gespenst der Selbstplagiate so hartnäckig an Hochschulen umher? Gehen wir zusammen auf „Geisterjagd“!
(Foto: nur keine Angst – Selbstplagiate sind leicht zu vermeiden;
(c) Fotolia Nr. 142127305_XS, Robert Kneschke)
Diverse Ausprägungen ominöser Selbstplagiate
Die häufigste Form von Selbstplagiat ist, recyclete Textteile im Abschnitt Material und Methoden in naturwissenschaftlichen (Abschluss-)Arbeiten. Als aktive Naturwissenschafterin verwendete ich standardisierte Methoden (zum Beispiel Färbemethoden für Körpergewebe), die man mit einem Satz oder wenigen Sätzen inklusive Zitat dokumentierte. Wie gesagt, standardisierte Methoden, die sich teils seit Jahrzehnten nicht mehr geändert haben – jede/r aus dem Fachgebiet kennt sie und weiß sofort, was gemeint ist.
Für meine Science Community ist es daher absolut nachvollziehbar, dass man diesen Hinweis nicht jedes einzelne Mal umschreibt (eine wichtige Ausnahme besteht selbstverständlich, wenn man eine Anpassung der Methode vorgenommen hätte). Während ich persönlich und viele weitere NaturwissenschafterInnen diese Art des Selbstplagiats als unbedeutend ansehen, gibt es internationalen durchaus hitzige Diskussionen darüber.
Abgesehen von diesem spezifischen Fall der Naturwissenschaften, versteht man unter Selbstplagiat noch ganz andere Problemstellungen, wie auch dieser Artikel über Selbstplagiate deutlich macht. So darf man als Studierende Hausübungen natürlich nicht einfach nochmals abgeben. Weiss man! Oder doch nicht? Leider ist es keine Seltenheit, beklagen Lehrende, dass sie jedes Semester wieder „Aufgewärmtes“ vorgesetzt bekämen. Das ist schade für alle Beteiligten, denn die Lehrenden haben durch diese Selbstplagiate dennoch viel Arbeit. Die Studierenden hingegen haben keine neuen Skills dazugelernt und die Benotung wird für diese Texte wohl deutlich schlechter ausfallen. Zur Erinnerung: Auch Arbeiten anderer, die man von KollegInnen persönlich oder via Online-Tauschbörse für Hausarbeiten und Abschlussarbeiten beziehen (sprich: kaufen) kann, sind nicht erlaubt. Das wären dann zwar keine Selbstplagiate aber Ghostwriting bzw. contract cheating.
Ein Selbstplagiat anderer Spielart sind wiederverwertete Abstracts und Präsentationen. Zeit ist knapp und rechtlich ist es meist auch in Ordnung eigene Inhalte weiterzuverwenden, weshalb viele WissenschafterInnen für Kongresse und Einreichungen eigene Texte und andere selbst erstellte Outputs oft mit nur geringen Aktualisierungen zur Verfügung stellen. Deutlich kritischer sieht es mit Selbstplagiaten durch WissenschafterInnen allerdings im Falle von Wiederverwertung für Publikationen aus. Hier stehen Verwertungsrechte der Journale im Vordergrund, die eingehalten werden müssen, Recycling-Texte würden diese Rechte aushöhlen.
Wer ist durch Selbstplagiate besonders gefährdet?
Vor allem DissertantInnen sind verunsichert, was und wie viel ihrer eigenen bereits erschienenen oder noch unpublizierten Arbeiten sie weiterverwenden können – und auch dürfen. Ein häufiger Fall, wo diese Situation rund um Selbstplagiate auftreten könnte, sind kumulative Dissertationen (mehrere selbstverfasste Publikationen des Studierenden zu seinem Forschungsthema werden als Dissertation eingereicht), die zumeist mit einer zusammenfassenden Einleitung und oft auch einer gemeinsamen Diskussion enden. Die Probleme dabei sind: Bereits erschienene Texte werden nochmals als Dissertation publiziert. Weiters finden sich in den einzelnen Teilen der kumulativen Dissertation wiederholte Textelemente wieder.
Da eine (klassische) Dissertation gemeinhin zu “grauer” Literatur zählt (ist zwar durch Betreuende begutachtet aber abgesehen von den eingearbeiteten Papers nicht international peer reviewed und auch nicht unbedingt alle sind von überall frei zugänglich) ist der erste Punkt nicht besonders relevant. Auch verwischen sich hier durch das Hochladen in Server der Hochschulen und online Erfassen für Bibliothekssysteme schon so einiges. Zum zweiten Punkt sei gesagt, dass es hier wie so häufig dazu unterschiedliche Auffassungen gibt, wie man das vermeiden kann. Ganz kann man es so oder so nicht vermeiden, dass sich Elemente wiederholen.
Kenntlichmachung schützt vor Selbstplagiaten
Man darf eigene Texte also doch wiederverwenden! Jein, denn jetzt kommt das große Aber – die Vorgehensweise eine Leistung ein zweites oder weiteres Mal mit ein und demselben Werk zu bekommen, ist wie erwähnt prüfungsrechtlich nicht zulässig. Und prüfungsrelevant sind nun einmal fast alle schriftlichen Arbeiten, die man im Laufe des Studiums zu schreiben hat. Studierende müssen sich für ein ähnliches Thema immer nochmals hinsetzen und einen neuen Text schreiben. Dafür können sie natürlich schon auf die zuvor gesammelte Literatur und Unterlagen zurückgreifen, wenn es Themenüberschneidungen gibt. Angenehmer zu bearbeiten wird es, wenn Sie sich dabei um neue Aspekte und Argumentationen bemühen.
Wenn Sie Teile einer eigenen Seminararbeit in der Bachelorarbeit oder Masterarbeit weiter verwenden möchten, gilt Ähnliches. Ich würde hier aber zu besonderer Vorsicht anraten, denn eine Seminararbeit gilt nicht als veröffentlichte Arbeit und ist demnach schwerlich zitierbar. Andererseits gibt man Teile einer anderen Leistung nochmals als Leistung aus und das ist eben prüfungstechnisch nicht rechtens. Wenn es gar nicht anders geht, und Sie etwas übernehmen möchten, beschränken Sie sich bitte auf ein absolutes Minimum an Übernahmen, 1 oder 2 Sätze. Erwähnen Sie immer auch schon zu Beginn, dass Sie das Thema bereits einmal als Seminararbeit bearbeitet hatten (vielleicht hat Sie das ja so sogar erst auf das Thema gebracht?). Vermeiden Sie in jedem Fall alle Arten von Textbörsen strikt!
DissertantInnen müssen Ihre eigenen Publikationen zitieren! Da kommt man nicht aus. Ich habe in meiner Plagiatprüf-Praxis bereits verschiedene Versionen der Kenntlichmachung gesehen: Grundsätzlich sollten zumindest einmal innerhalb der Dissertation die LeserInnen gut ersichtlich darüber aufklärt werden, dass Teile der vorliegenden Dissertation bereits als Publikationen verwendet wurden. Wie und wo das zu zitieren ist, ist eher unerheblich – relativ häufig wird am Ende der Einleitung ein Statement dazu gemacht. Weiters sehr typisch ist, entsprechende Fußnoten im Fließtext dazu zu machen.
Wirkt wie doppelt gemoppelt? Ja, das ist es auch. Sinn macht das ganze jedoch, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, warum man Zitate setzen muss. Einer der Gründe ist zum Beispiel die eigene Kompetenz herauszustreichen. Wieso nicht zeigen, dass man zu diesem Thema schon mehr erforscht hat und daher auch etwas zu sagen hat? Das „wie oft zitieren“ kann ich wie immer nur so beantworten – so oft es halt inhaltlich notwendig ist und immer dort wo ein Inhalt verwendet wurde zitieren.
Kampf gegen Selbstplagiate und Textrecycling
Bei Selbstplagiaten hält sich der Schaden – NUR studentische Selbstplagiate und im Vergleich zu anderen Plagiarismus-Arten betrachtet! – doch in Grenzen. Die Geschädigten im Falle eines Selbstplagiats von Studierenden und DoktorantInnen sind die Hochschulen, die wiederverwertetes Material nochmals benoten,und eventuell noch wissenschaftliche Journale, denen DissertantInnen bei Nichtzitieren nicht genug Anerkennung zollen.
Den Studierenden muss ich hier auch zur Seite stehen: Wie im oben erwähnten Artikel auch ausgedrückt wird, kann es nicht angehen, dass man für verschiedene Kurse, womöglich sogar in unterschiedlichen Semestern abgehalten, so ohne weiteres die selben Texte abgeben können darf. Zu allgemeine Themen und Problemstellungen verleiten viel leichter zu Textrecycling und Selbstplagiat bzw. gar zum Klick auf Textbörsen. Gerade im universitären Bereich sollten die Prüfungsanforderungen immer aktuell und ausreichend anspruchsvoll gehalten werden, dann kann man diese Art von Problem leicht ausmerzen. Beziehungsweise, in einer idealen Welt darf man sich das wohl wünschen …
Die Sichtweise, dass Studierende die eigenen Texte ruhig absichtlich immer wieder recyclen sollen, wie im genannten Artikel aufgebracht wird, finde ich persönlich zwar verstörend aber auch spannend. Ich kenne das aus deutschsprachigen Hochschulen nicht. Tatsächlich wäre es im Rahmen eines längeren Schreibkurses ein sehr interessanter Einfall Texte immer wieder anders aufbereiten zu lassen, nur um des Argumentierens und Schreiben Übens willen und um die Fähigkeiten auszubilden, die man als WissenschafterIn in späterer Folge auch dringend benötigt.
Weiterführende Quellen
Artikel „Darf ich bei mir selbst abschreiben?“
Wolf Lepenies über „Selbstzitat und Eigenplagiat“
Ausführliches Memo der Ombudsperson der Uni Regensburg über Selbstplagiate
Professor H. D. Zimmermann über Selbstplagiate in der Wissenschaftskommunikation
Artikel „The Challenge of repeating methods while avoiding plagiarism“
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(Artikel von Natascha Miljković, 19. Februar 2014; letztes Update: 5. Oktober 2017)
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