Überarbeiten von Texten ist nicht nur Tippfehler ausbessern

Ich gestehe: ich bin ein Deadline-Schreiberling! Zeitdruck scheint für mich persönlich ein wichtiger Motivations- und Kreativitätsfaktor zu sein. Natürlich bin ich nicht immer knapp dran, aber ich ertappe mich doch gelegentlich beim Gedanken „Hättest Du besser mal früher begonnen!“. Zugegeben, ich muss generell mehr Texte als die Durchschnittsbürgerin produzieren (und liebe es zu schreiben!) und kann mich daher wohl besser einschätzen als ungeübte Schreibende. Mit etwas zeitlichem Abstand täte man sich auch beim Überarbeiten leichter, denn wie Sie gleich erfahren werden, sind viele Schritte durchzuführen.

Ideen sammle ich laufend, auch zu Textbausteinen komme ich sehr leicht, da mir viele einfach zwischendurch einfallen. Die Ideen, die mir gut genug gefallen und nützlich erscheinen, bewahre ich auf. Dafür nutze ich zur Zeit „Evernote“, für fortgeschrittenere Schreibprojekte dann „Word“. Aus den Teilen entsteht irgendwann vielleicht tatsächlich einmal ein Text. Wenn nicht, bin ich auch nicht enttäuscht, denn ich nutze viele der gesammelten Elemente als Eigen-Inspiration für andere Projekte. An diesem Punkt möchte ich mir sehr bewusst keinen Stress erzeugen – nicht alles ist gut genug bzw. kommt zum besten Zeitpunkt!

Nach diesen anfänglichen Schritten des Schreibprozess wird es anspruchsvoller für mich – und ganz allgemein für die meisten Schreibenden. Das Überarbeiten steht auch irgendwann einmal an und da happert es auch bei mir noch oft noch am Handwerklichen. Denn, überarbeiten von Texten ist eben nicht nur Tippfehler auszubessern! Und selbst von denen schlüpfen mir immer wieder einzelne Exemplare durch den Raster, hach. 😉

Ganz im Gegenteil, jetzt geht es um die Wurscht, darum, ob Lesende sich von Anfang bis Ende gerne zu Ihrem Text setzen werden, Sie für kompetent und sprachlich gewandt halten, Ihre klare Argumentation schätzen werden und vieles mehr. Wie kommen Sie also von einem guten Manuskript, an dem Sie ohnehin schon heftig herumgefeilt haben, zu einem perfekten Text?

 

Writing(Abb.: “Writing” von Bianca Moraes @ Flickr)

–> Diese Tipps als Pdf herunterladen: Checkliste_Überarbeiten von Texten_Miljkovic Natascha_2016


How to edit text

Ich habe durch meine Arbeit als Plagiatsprüferin aber auch als Lehrende im Bereich Academic Writing viel mit Texten und dem (wissenschaftlichen) Schreiben zu tun. Zudem verfasse ich gerade ein Sachbuch und nun steht dafür die Überarbeitung an. Als Vorbereitung, Inspiration und zum „Verankern“ lese ich daher auch liebend gerne über alle Phasen der Schreibprozesse und bilde mich so laufend auch theoretisch weiter. Die Entstehungsgeschichten von Texten zu erfahren finde ich immer beeindruckend (zum Beispiel hier von Ulrike Scheuermann).

Viele Aspekte eines Textes gilt es mitzudenken, allerdings NICHT unbedingt schon bei der Erstellung. Das empfinde nicht nur ich als sehr hinderlich, manchmal regelrecht blockierend. Dieses Anpassen der ersten Entwürfe an die diversen Aspekte und Bedürfnisse eines Textes kommen erst beim Überarbeiten zum Tragen:

  • Ist der Inhalt genau an die Zielgruppe (= meine konkreten Lesenden) angepasst? Warum greifen die zu so einem Werk? In welcher Situation lesen sie es wohl? Was brauchen die von mir?
  • Ist das Level passend? Welches Vorwissen kann ich meiner Zielgruppe zutrauen? Muss ich etwas genauer erklären? Kann ich etwas eindampfen?
  • Wie wirkt meine „Schreibstimme“? Auch bei Lehrbüchern schätzt man den belehrenden Stil wenig, sollte aber nicht zu salopp rüberkommen bzw. viel Umgangssprachliches verwenden.
  • Was ist der Zweck, Nutzen bzw. die „Botschaft“ des Textes? Wird das in Aufbau und Stil auch gut wiedergespiegelt?

Für kommerziell zu verwendende Texte muss dies alles natürlich noch viel genauer überlegt und schon vor dem Einreichen bei Verlagen genauestens beschrieben und argumentiert werden. Doch auch Studierende können sich hier einen guten Tipp abgreifen: schreiben Sie doch diese Dinge alle nur für sich und nur im Rahmen einer Abschlussarbeit zusammen. Die Perfektionsmusfalle kann so viel weniger unangenehm zuschnappen, wenn man sich klarer darüber ist, für wen und warum (und im Idealfall auch noch gleich mitplanen bis wann) eine Abschlussarbeit zu stehen hat.

 

Schritt für Schritt – Phasen der Überarbeitung von Texten

Editieren. Redigieren. Feilen. Eindampfen. Überarbeiten. Egal wie man es bezeichnet, diese letzte und äußerst wichtige Phase bei der Entstehung von Texten mögen die wenigsten und doch sollten wir hier mehr Augenmerk darauflegen, weil sie die größten Chancen auf einen Qualitätssprung bereithält. Für Studierende sei extra hingewiesen, dass kein Text je perfekt ist und ohne sie auskommt, man muss sich also nicht grämen, wenn man das Gefühl hat nicht auf Anhieb etwas gut geschrieben zu haben. Das Überarbeiten macht es aus! Ich überarbeite gerne in mindestens 2 Stufen und mit mehreren Durchläufen.

Zunächst nehme ich mir Folgendes her:

  1. Struktur: Nehmen Sie in frühen Kapiteln Dinge vorweg, die die Lesenden noch gar nicht wissen können?, Haben Sie alle Elemente für die jeweilige Textsorte schon erarbeitet?, Wie sieht es um die „Spannungsbögen“ in Ihren Unterkapiteln und Absätzen aus?, Worauf wollen Sie wirklich hinaus?, usw.
  2. Logik und „roter Faden“: sehr nützlich sind meist „Warum“-Fragen, um versteckte Annahmen, Mutmaßungen und Behauptungen in Schach zu halten. Hier stelle ich mir immer vor, ich würde nichts anderes zum Thema wissen als das, was ich im Text erfahre. Kann ich dem Ganzen dann noch logisch folgen?
  3. Formelles: Seitenrand, Deckblatt usw. nach den geforderten Bestimmungen erstellt oder jedenfalls in sich einheitlich, klar und deutlich. Bitte verzichten Sie auf all zu viele Unterstreichungen, Kursiv- wie auch Fettsetzungen, und auf alle Schriftfarben außer Schwarz sowieso. Manchmal sieht man die Zitate vor zu vielen optischen Eindrücken nicht mehr.

 

–> Diese Tipps als Pdf herunterladen: Checkliste_Überarbeiten von Texten_Miljkovic Natascha_2016

 

Sind diese Dinge angepasst und überarbeitet, widme ich mich diesen Aspekten verstärkt:

  1. Zitate: wenn es sich um wissenschaftliche Texte handelt, wird oft ein bestimmter Zitierstil verlangt. Stellen Sie jedes Zitat ins Rampenlicht und fragen Sie sich, ob es dem Stil entspricht (z. B.: haben alle Zitate die Jahreszahl dabei stehen?, sind direkte Zitate kursiv gesetzt, usw.). Wichtig ist auch eine Sorte von Zitaten (z. B. alle Zitate von Fachbüchern, alle Journalartikel) konsistent immer gleichförmig zu gestalten. Bitte vergessen Sie die Literaturliste nicht (und ggf. die Angaben in Fussnoten).
  2. Sprache: ist der Stil meiner Ansprache konsistent (ich, wir, man)?, Passen Formulierungen zum Zweck des Textes und/oder zur Zielgruppe?, entfernen Sie alle unnötigen Füllwörter und überdenken Sie nochmals verwendete Fremdworte – haben Sie das passende gewählt?, Wirklich?!
  3. Grammatik: häufig baut man Sätze mehrmals um und (ich zumindest) vergisst nicht selten Plural/Singular oder die Zeiten anzupassen, auch übermässig komplexe Schachtelsätze sollten aufgelöst werden.
  4. Abbildungen und Tabellen: diese Anteile eines Textes (sofern vorhanden) müssen unbedingt(!) im Text angesprochen und beschrieben sowie „verarbeitet“ sein, also erklärt werden, was es mit Ihren Hypothesen und Argumenten zu tun hat? Zum optischen Aufhübschen alleine kann es nicht taugen! Brauchen Sie die Abbildung nicht unbedingt, kann sie auch nicht im Text verbleiben!

 

Writing longhand(Abb.: “Writing longhand” von R. Crap Mariner @ Flickr)

Operation Text

Den Abschluss macht ein Korrektorat, das ich für gewöhnlich selbst durchführe bzw. bei sehr wichtigen Texten, die wirklich perfekt sein sollen, sehr penibel lesende FreundInnen oder gar ein Profi (LektorIn/ KorrektorIn). Ziel ist es diesen gängigen Fehlerquellen auf die Spur zu kommen:

  1. Appendizes & Glossare: Haben Sie Anhänge jeglicher Form oder geben Sie ein Glossar an, sollten Sie spätestens jetzt alles nochmals gründlich kontrollieren.
  2. Literaturliste: am besten ist es ein fortlaufendes Register erstellen zu lassen (in Word direkt oder in Kombination mit einem Literaturverwaltungsprogramm). Machen Sie Stichproben, ob tatsächlich alle Zitate aus dem Fließtext auch in der Liste enthalten sind und umgekehrt.
  3. Tippfehler: auch wenn Rechtschreibprogramme diese meist ohnedies anzeigen, alles wird nie gefunden.
  4. Fremdsprachliches Korrektorat: schreiben Sie englische oder andere fremdsprachliche Texte, dann empfiehlt sich ein Spezialkorrektorat von MuttersprachlerInnen.
  5. Plagiatsprüfung: zu guter Letzt kann man natürlich auch eine Plagiatsprüfung, also eine Textanalyse durchführen lassen.
  6. Reflexion: meine letzter Schritt ist die Entstehungsgeschichte zu überdenken. Seien Sie kritisch – wie war die Recherche, die Auswahl der Literatur, Ihre Ideenverarbeitung, der Schreibfluss (wo saßen Sie schreibend und wann?, wann ging Ihnen nichts von der Hand?), wie ging es mit der Überarbeitung?, usw. Halten Sie Dinge, die Sie das nächste Mal ausprobieren und/oder verbessern möchten in einer kurzen Notiz an sich selbst (z. B. wieder in Evernote, in Word, in einem Notizbuch, usw.) fest.

 

Heureka – mein Text ist endlich fertig!

Das waren meine wichtigsten Abläufe beim Überarbeiten von Texten. Letztlich hängt alles vom jeweiligen Texttyp ab und jede/r Schreibende wird sich im Laufe der Zeit (Übung macht die/den MeisterIn!) einen eigenen Workflow der Überarbeitung entwickeln.

Anpassungen muss es natürlich vor allem dann geben, wenn mehrere Menschen im Team an einem Manuskript beteiligt sind und ein „rundes Ganzes“ entstehen soll. Zeitlich ist es ohnehin sehr sehr variabel, wie viel man für die Überarbeitung einplanen sollte. Hier kenne ich unterschiedlichste Empfehlungen, meine Faustregel ist, circa nochmal soviel Zeit einzuplanen, wie für die Entstehung des Rohtextes nötig war.

Viel Spaß und Erfolg beim Überarbeiten Ihrer Texte! Und nicht vergessen: „Schreiben ist leicht. Man muß nur die falschen Wörter weglassen.“ (Mark Twain)! 😉

P.S.: Kennen Sie weitere Überarbeitungstipps und -kniffe? Schreiben Sie mir bitte (auch passende Gastbeiträge für meinen Blog sind herzlich willkommen): office [ät] plagiatpruefung [Punkt] at !
Artikel von Natascha Miljković, 24.08.2016

© aller Texte: Dr. in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2016.
© Abbildungen: wie angegeben.

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About Dr. Natascha Miljkovic

Inhaberin der Firma Zitier-Weise, Agentur für Plagiatprävention. Naturwissenschafterin mit viel Auslandsforschungserfahrung, Wissenschaftsberaterin und präventive Plagiatsprüferin. Berät Bildungseinrichtungen zum Themenkreis akademische Unredlichkeit und unterrichtet, wie man diese (z. B. Plagiate) nachhaltig vermeiden kann. Auch an allen anderen Themen in, um und durch Forschung und Bildungseinrichtungen interessiert.

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