Ein vermeintlicher Plagiist als neuer Literaturnobelpreisträger

Seit Jahrzehnten gibt es Anschuldigungen rund um angeblich „recyclierte“ Liedtexte und Melodien gegen ihn – Bob Dylan. Mitte Oktober 2016 hat er den Literaturnobelpreis gewonnen, allerdings ausdrücklich nicht für seine literarischen Ausflüge, nur für „seine“ Liedtexte. Ein Schelm, wer Böses denkt …

Ungeachtet der Frage, ob oder ob nicht verdient vergeben, ob Liedtexte überhaupt als vollwertige literarische Werke gelten sollten oder nicht, und ganz besonders egal, ob man seine Musik und ihn als Künstler mag oder nicht … Plagiarismus scheint in unterschiedlichen Settings sehr unterschiedlich bewertet zu werden. Denken wir an von Fans produzierte Werke als Huldigungen an KünstlerInnen aller Art, an Affenselfies und Millionenklagen gegen mißbräuchlich verwendete Abbildungen, und natürlich an den Bildungsbereich, aber auch an Kunstfälschungen.

 

bob_dylan_1996(Abb.: Bob Dylan beim Lida Festival in Stockholm/ Schweden 1996; (c) Henryk Kotowski unter Creative Commons Lizenz veröffentlicht)

 

Sind Plagiate mal hui, mal pfui?!

Mich wundert die Entscheidung und Berichte über Bob Dylans Gewinn sehr. So werden in diesem Bericht aus dem „Standard“ die Plagiatskontroversen zwar auch aktiv angesprochen, doch kaum kritisch bearbeitet. Fast klingt es bewundernd und wird nur mit der Rechtfertigung Dylans selbst kommentiert – das gehört im Folk halt so. Aha?

„Angetreten als Klon seines “ersten und letzten” Idols, des Folk-Sängers Woody Guthrie, bediente sich Dylan hemmungsloser und raffinierter als die Kollegenschaft bei unterschiedlichsten Quellen, um daraus Eigenes zu destillieren. Zwar gehörte das Adaptieren, Anreichern und Zuschleifen überlieferter Songs immer schon zu einem jahrhundertelangen, meist anonymen Folkprozess.“ (Karl Gedlicka, 13.10.2016, “Bob Dylan bekommt Literaturnobelpreis”, DerStandard online)

 

Zahllose Klagen und Beschuldigungen hat Dylan vor einigen Jahren mit einer noch dazu sexisitischen Beleidigung kommentiert („Wussies and pussies complain about that stuff.“). Nun ja, spätestens seit dem diesjährigen Wahlkampf weiss wohl jeder, wie widerlich sexistisch reiche Männer in den USA zum Teil agieren.

 

Das gehört im Folk hat so

Was bei Studierenden, die die Kulturtechniken rund um Texte erst lernen, zumindest Schelte sogar bis hin zu Entzug des Titels nach sich zieht, ist im kommerziellen Bereich generell noch viel stärker sanktioniert. Nicht jedoch, wenn man berühmt ist?! Seltsam!

Was mich zur Frage bringt: „gehört“ eine Idee jetzt dem, der sie besser vermarkten kann? Ist es für die Gesellschaft insgesamt nicht ohnedies viel besser, wenn bekannte Personen sich zuvor unbekannten Elementen annehmen, sie mit ihrem Können verfeinern und dann der ganzen Welt zugänglich machen können … solange natürlich die rechtlichen Bereiche abgesichert und die ursprünglichen UrheberInnen entlohnt wurden?! Schließlich ist gegen eine gute „Inspirationsdusche“ ja nichts zu sagen, auch zählt Immitation zu einer der ältesten und verbreitetsten Lernformen.

Mit diesen und einigen anderen Aspekten rund um Original und Plagiat werde ich mich übrigens in meinem nächsten Buch widmen!

 

 

 

Artikel von Natascha Miljković, 19.10.2016

© aller Texte: Dr. in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2016.
© Abbildungen: wie angegeben.

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About Dr. Natascha Miljkovic

Inhaberin der Firma Zitier-Weise, Agentur für Plagiatprävention. Naturwissenschafterin mit viel Auslandsforschungserfahrung, Wissenschaftsberaterin und präventive Plagiatsprüferin. Berät Bildungseinrichtungen zum Themenkreis akademische Unredlichkeit und unterrichtet, wie man diese (z. B. Plagiate) nachhaltig vermeiden kann. Auch an allen anderen Themen in, um und durch Forschung und Bildungseinrichtungen interessiert.

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