Von der Universität zur Multiversität – Forum Alpbach 2014 (1/5)

Kann die Hochschullandschaft in Österreich und Europa mit der stark steigenden Komplexität und den zahlreichen Anforderungen der Neuzeit mithalten? Wie kann man, zumindest auf einigen Gebieten, die universitäre Übermacht der amerikanischen Ivy League-Colleges abschütteln und Europa in Hochschul-Rankings doch auch ein wenig federführend werden? Oder will man das eigentlich gar nicht? atsache ist, wir stehen schon längst nicht mehr an einer Weggabelung mit nur zwei, drei möglichen Entscheidungsausgängen. Wir sind schon auf dem Weg, von der Universität zur Multi-Versität! Doch dieser Weg scheint auch viele Fallstricke bereit zu halten …

 

Universität – quo vadis?

Das Europäische Forum Alpbach 2014 ist gerade zu Ende gegangen, die Medienleute, WissenschafterInnen, StudentInnen und anderen TeilnehmerInnen ziehen sich für dieses Jahr nun endgültig aus dem kleinen Tiroler Ort zurück. Wie berichtet war ich zum ersten Mal live mit dabei und teile in den nächsten Tagen einige Einblicke und Erkenntnisse mit Ihnen in meiner neuen Blogserie.

 

Tag 1 der Alpbacher Hochschulgespräche begann mit Talks einiger namhafter Persönlichkeiten zu eben diesen Themen. So eröffnete der Präsident der „Alpbach-Show“ (nicht seine Worte, sondern meine 😉 ) Franz Fischler mit einem Ausschnitt aus dem Film „Der Club der toten Dichter“ (Ausschnitt über „conformity“/ Konformität hier nachzusehen) mit dem kürzlich verstorbenen Schauspieler Robin Williams. Studierende werden nicht zuletzt dank der Bologna-Hochschularchitektur in ein recht starres Korsett aus Abläufen gepresst … wie soll man darin aber lernen auf eigenen Füßen zu stehen, wenn in diesem System aus der Reihe tanzen und mit dem eigenen Köpfchen denken Nachteile bedeuten kann?

crossroads
(Foto “crossroads” von Carsten Tolkmit @ Flickr)

 

Der Wirtschafts- und Wissenschaftsminister und nunmehrige frischgebackene Vizekanzler Reinhold Mitterlehner stellte die Frage aller Fragen – was ist eigentlich das Ziel des Weges, wo soll es mit unseren Universitäten und Fachhochschulen hingehen? Für ihn lautet die Antwort wie folgt: sie sind als regionale Qualitätszentren der zukünftige Motor unserer gesamten Gesellschaft, denn das Ziel ist und muss sein eine Wissensgesellschaft zu werden. Nur eben keine „Wissenschafts-Gesellschaft“, vielleicht liegt genau darin des Pudel’s Kern der österreichischen Hochschulpolitik?! Es wirkt fast, als solle diesen kleinen aber feinen Unterschied anscheinend wieder einmal „der Finanzminister“ über die Menge an Förderungen, die in Österreich für Bildung, Ausbildung, Lehre und Forschung ausgegeben werden, klären. Irgendwer wird schon irgendwann irgendwas machen …

Da die Rolle der Hochschulen als Bildungs- und Ausbildungsstätten und ihre neuen und alten Herausforderungen mehrfach während dieser Hochschulgespräche besprochen wurden, nehme ich das gleich zum Anlass die zahlreichen Inputs in einem eigenen Blogbeitrag (Teil 2 der Serie) am Donnerstag auszuführen.

Spannend an Mitterlehners Rede war sein Wunsch nach Stärkung der „Einheit von Forschung und Lehre“, wie er es ausdrückte, die seiner Einschätzung nach nur durch flexiblen Einsatz der WissenschafterInnen je nach Projekttätigkeiten erfolgen soll. Es darf gespannt auf den nächsten großen Wurf aus dem Ministerium gewartet werden, der in Bälde vorgestellt werden wird, und sich Universitäts-Entwicklunsgplan nennt. Es gibt jedenfalls noch viel zu tun …

 

Der UNESCO Hochschul-Experte Sir John Daniel zeichnete als starken Kontrast zum reichlich „witzigen“ Talk Mitterlehners ein sehr negatives Bild von Bologna und dem Hochschulwesen. Wir haben unser Ziel das neue Hochschulsystem zum besten der Welt zu machen gründlich verfehlt, meinte er. Mehr noch – wir sind nicht auf gesellschaftliche Umwälzungen vorbereitet und lassen die jungen AkademikerInnen eigentlich völlig im Stich. Die immer noch sehr veralteten Hochschulsysteme werden Europa nicht (so schnell) revitalisieren, wie manche das meinen und andere hoffen.

 

Der „Niki Lauda des innovation talk“ (er ist seit einigen Monaten scheinbar immer und überall anzutreffen) Hermann Hauser, in und um Cambridge und in zahlreichen Start-ups sehr umtriebig und erfolgreich, betont, dass die meisten Menschen den Universitäten besonders zwei sehr wichtige Funktionen zuschreiben, Lehre und Forschung, und doch die wichtigste von allen komplett übersehen würde – die „science translation“. Es reicht nicht Wissen weiterzugeben und neues Wissen zu generieren, wenn die Bevölkerung nicht versteht und verstehen kann warum, wie und wer das macht! Hear, hear!

 

Abgerundet wurde dieser spannungsgeladene Einstieg in die Alpbacher Hochschulgespräche durch einige interessante statistische Betrachtungen des HE-Sektors durch Wolfgang Lutz, seines Zeichen Mitbegründer eines Wittgenstein-Zentrums. Am mir bislang unbekannten Beispiel der Entwicklung Koreas seit den 1970er Jahren zeigt er auf, dass ein höherer Bildungsstatus deutlich weitreichendere Auswirkungen auf die Bevölkerung hat, als man zunächst annehmen sollte. So steigt mit mehr (Aus-)Bildung auch die Lebenserwartung (freuen Sie sich – AkademikerInnen leben durchschnittlich 6 Jahre länger als andere Bevölkerungsschichten!) und der Gesundheitszustand bleibt insgesamt viel länger recht hoch. Keine schlechten Aussichten also! Ist das Österreich und Europa aber auch „Wertsteigerung“ genug, um zukünftig mehr Finanzierung für diesen Sektor und sein „human capital“ zu ermöglichen?

 

Weiter geht es donnerstags mit meinem retrospektiven Blogbeitrag Teil 2 zum Forum Alpbach und den verschiedenen Rolle der Hochschulen.

 

Artikel von Natascha Miljković, 02. September 2014

© aller Texte: Dr. in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2014.
© Abbildungen: wie angegeben.

 

Den Plagiatpräventions-Blog der Zitier-Weise als E-Mail lesen

Mit einem Feed-Reader abonnieren

follow us in feedly

Creative Commons Lizenzvertrag Der Wissenschaftlichkeits-Blog von Natascha Miljkovic ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz. Wenn Sie über diese Lizenz hinausgehend Erlaubnis zur Verwendung meiner Inhalte haben möchten, können Sie diese sehr gerne unter www.plagiatpruefung.at/kontakt anfragen!

Print Friendly, PDF & Email
Tagged , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , . Bookmark the permalink.

About Dr. Natascha Miljkovic

Inhaberin der Firma Zitier-Weise, Agentur für Plagiatprävention. Naturwissenschafterin mit viel Auslandsforschungserfahrung, Wissenschaftsberaterin und präventive Plagiatsprüferin. Berät Bildungseinrichtungen zum Themenkreis akademische Unredlichkeit und unterrichtet, wie man diese (z. B. Plagiate) nachhaltig vermeiden kann. Auch an allen anderen Themen in, um und durch Forschung und Bildungseinrichtungen interessiert.

2 Responses to Von der Universität zur Multiversität – Forum Alpbach 2014 (1/5)

  1. Pingback: Mehr Gesellschaft in die Forschung - Social Mainstreaming

  2. Pingback: Die Rolle der Hochschulen - Retrospektive zum Forum Alpbach

Leave a Reply