Die VWA als Familien-Haurruck-Aktion und Genderfalle?

Ich möchte es gerne nochmals betonen: die VWAs (Vorwissenschaftliche Arbeit, in Österreich als neue Form von Maturaarbeit eingeführt), die ich zur Plagiatsprüfung vor Abgabe zugesandt bekomme, sind durchwegs sehr gut:

  • formell gut erstellt, man merkt, auf Zitate wurde viel Wert gelegt,
  • Aussehen wie es sich gehört und
  • Themen, die ich mit 16, 17 Jahren wahrscheinlich weder gewählt noch erarbeiten und beschreiben hätte können (gut, damals gab es auch noch keinen flächendeckenden Zugang zum Internet, das hätte es auch deutlich erschwert).

Verwundert ein wenig, da ich von den SchülerInnen und Eltern auch die andere Seite der Medaille zu hören bekomme:

  • Lehrende, die nicht vom Fach sind oder das Thema nicht schert und den Jugendlichen daher keine Hilfe sein können (und selten auch nicht sein wollen),
  • komplett unzulängliche Informationen zu den Erwartungen,
  • komplett widersprüchliche Aussagen, wie man zitieren muss/soll und
  • manchmal auch falsche Meldungen zum Zitieren/Plagiieren, teils hartnäckige Mythen, die den Lehrenden eigentlich mittlerweile mit Schulungen schon „ausgetrieben“ sein sollten.

Das soll hier keinesfalls ein „Lehrendenbashing“ werden! Ich weiß, wie es vielen von Ihnen beider Arbeit geht, dass es auch nicht immer ein Zuckerschlecken ist, viele klare Aussagen und auch konkrete Informationen fehlen usw. Heute möchte ich mich dennoch einmal auf die SchülerInnen konzentrieren.

Eine Arbeit für alle mit Familiensinn

So weit zumindest der Plan, doch eine VWA betrifft nicht nur die SchülerInnen! Wie einige KundInnen erzählt haben, ist mehr oder minder die ganze Familie eingespannt: ältere Geschwister, die bei der Recherche helfen, Eltern, die das Thema erörtern helfen, Cousinen und Cousins, die Korrektur lesen helfen etc.

 

student life?(Abb.”student life?” von Bradley Higginson @ Flickr)

 

Vor allem die Eltern machen sich oft große Sorgen, da auch VWAs auf Plagiate überprüft werden, die Informationen, die sie dazu aus den Schulen bekommen aber oftmals sehr dürftig sind. Sie fragen sich insbesondere 2 wichtige Fragen – was kann passieren, wenn etwas gefunden wird? und wie um alles in der Welt vermeiden wir das? Je nach Wissensstand der zuständigen Lehrenden und Schulen kommen leider auch viele widersprüchliche Aussagen auf die Eltern zu („alles zitieren“, „kommt drauf an …“, „Betrug“, „Überarbeitung nötig“). Das verunsichert natürlich zunächst gehörig!

Ehrlich gesagt – so einiges davon wäre sehr einfach vermeidbar, wenn Lehrende mehr Hintergründe zu Plagiaten und Plagiatsprüfungen hätten, dann könnten sie auf Teil 2 der drängenden Fragen – was tut man dagegen? – viel konstruktiver reagieren.

Für alle wichtigen Fragen und offiziellen Erläuterungen zur VWA, kann ich die Website „VwA“ des Bundesministeriums für Bildung und den Pädagogischen Hochschulen nur wärmstens empfehlen! Hier können Sie Verordnungen nachlesen, es gibt eine große Materialien- und Fragensammlung (für Lehrende auch einen Überblick über Fortbildungen zum Thema) und vieles mehr.

Und dann auch noch gendern!

Auch das Gendern der VWA ist immer wieder ein Ärgernis in den Augen der Eltern: Wer braucht den sowas?! Hat man nicht schon genug Arbeit und Sorgen mit der VWA?! Muss man die Kinder auch noch mit so einem Kleinkram belästigen?! Reicht es denn nicht aus, wenn sie ein Thema gut und mit gutem, lesbaren Schreibstil erklären können?! Muss man das für einen Einser oder gehört das immer so?! Tja, da war sie wieder, die „Genderfalle“ hat zugeschnappt!

Es scheint als wäre das Thema gendergerechte und inklusive Sprache noch immer nicht wirklich mehrheitsfähig. Wie Sie vielleicht am Ende eines meiner letzten Artikel bemerkt haben, stehe ich dem „gendern“ generell positiv gegenüber und versuche es auch durchzusetzen, wo es nur geht. Ich war zu Beginn als es in Österreich allernorts aufgetaucht war, jedoch absolut nicht begeistert.

Genau wie sich jetzt viele SchülerInnen und Studierende (und eine Vielzahl anderer Grüppchen) heftig mokieren, warum sie denn das auch noch in ihren Texten beachten müssten, verstand ich den eigentlichen Sinn „dank“ völlig fehlgeleiteter Diskussionen und Machogehabe auch vieler offizieller VolksvertreterInnen in sehr vielen Medien (die auch heute noch „für die bessere Lesbarkeit auf die weibliche Form verzichten“!)

Warum in der VWA gendern?

Zum Einen weil es für offizielle Texte in Österreich heute Standard ist! PUNKT! Bestimmungen verstehen und befolgen zu können, die bei der Erstellung eines solchen Textes gefordert sind, wird fast allen MaturantInnen und AbsolventInnen in ihrem Berufsleben wieder unterkommen. Es gibt unzählige Textformen – Berichte, Instruktionen, Verträge usw. – die einer ganz bestimmten Logik und Form folgen.

Diese entstanden, um eine gewisse Vereinheitlichung und damit bessere Verständlichkeit zu erlangen. Dass es über die Jahre und Jahrzehnte zu festgelegten Strukturen kommt, deren Warum und Wieso irgendwann vergessen wurde, ist klassisch für Formalia. Ja, klar ist auch, nicht alle dieser Formalia sind sinnvoll, viele aber durchaus! Heute ändern wir eben die Ansprache von Frauen und Männern in Texten, in wenigen Jahren wird es schon eine Formalie sein, die man macht ohne andauernd zu diskutieren (hoffe ich!).

Schade, dass es SchülerInnen nicht besser erklärt wird und auch vielen männlichen wie weiblichen Studierende noch nicht klar ist, dass die absichtliche Verwendung auch der weiblichen Formen in offiziellen Texten ein großes und wirklich wichtiges Symbol ist – als Österreicherin und Österreicher leben wir in einem sehr schönen, friedlichen und freien Land, in dem jede und jeder geschätzt und respektiert werden soll, solange man sich an alle Regeln und Gesetze hält. Wir sind stolz darauf hier zu leben und schließen niemanden aus. Alle Menschen sind gleich wertvoll und von Gesetzeswegen gleich „wichtig“. DAS bedeutet es für MICH zu gendern!

Wie machen Sie das eigentlich?

Lassen Sie mich wissen, wie Sie das Gendern sehen und wie Sie damit umgehen! Vielleicht sind Sie ja so mutig wie die beiden Schüler*, und schreiben Ihren nächsten Text (für sie die VWA) nur in der weiblichen Form? Männer sind darin natürlich auch alle inkludiert und dürfen sich gerne dazudenken! 😉

* Danke an die beiden Burschen, zwei Maturanten, die ich kürzlich bei einem Zuggespräch belauschen durfte, die mich zu diesem Blogartikel inspiriert hatten! Einer meinte ihn ginge es “auf den Keks”, dass man da so lange drüber streite, ob gendern ja oder nein. Er schreibe nun seine VWA absichtlich ausschliesslich in der weiblichen Form. That’s the spirit! 😉

 

 

Artikel von Natascha Miljković, 16.02.2017

© aller Texte: Dr. in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2017.
© Abbildungen: wie angegeben.

Den Plagiatpräventions-Blog der Zitier-Weise als E-Mail lesen

Mit einem Feed-Reader abonnieren

follow us in feedly

Creative Commons Lizenzvertrag Der Wissenschaftlichkeits-Blog von Natascha Miljkovic ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz. Wenn Sie über diese Lizenz hinausgehend Erlaubnis zur Verwendung meiner Inhalte haben möchten, können Sie diese sehr gerne unter www.plagiatpruefung.at/kontakt anfragen!

Print Friendly, PDF & Email
Tagged , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , . Bookmark the permalink.

About Dr. Natascha Miljkovic

Inhaberin der Firma Zitier-Weise, Agentur für Plagiatprävention. Naturwissenschafterin mit viel Auslandsforschungserfahrung, Wissenschaftsberaterin und präventive Plagiatsprüferin. Berät Bildungseinrichtungen zum Themenkreis akademische Unredlichkeit und unterrichtet, wie man diese (z. B. Plagiate) nachhaltig vermeiden kann. Auch an allen anderen Themen in, um und durch Forschung und Bildungseinrichtungen interessiert.

Comments are closed.