„Wie viele Prozent darf mein Text in der Plagiatsprüfung aufweisen, damit ich sicher durchkomme?!“ Diese Gretchenfrage zu den Prozent höre ich als Plagiatsprüferin am häufigsten! Eine einfache Frage, die Antwort ist jedoch nicht ganz trivial, denn dazu muss man zunächst den Sinn der Prüfprogramme und ihre grundsätzlichen Funktionsweisen genauer ansehen. Letztlich ist es für Studierende wie auch für die Lehrenden relativ egal, wie viel Prozent das Prüfprogramm anzeigt. Das klingt jetzt vielleicht irritierend, da an Hochschulen meist ein riesen Tamtam um die Plagiatsprozente gemacht wird.
(Foto: Wie viel Prozent zeigt Deine Plagiatsprüfung an?;
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Warum verwenden wir Prozente um Plagiate zu messen?
Da viele Studierende immer wieder mit einem entscheidenden Missverständnis hadern, eine sehr wichtige Feststellung vorab: Die Plagiatsprogramme zeigen nur Ähnlichkeitsprozente an! Also eine Summe daraus, wie viele Prozent ein Text, wie zum Beispiel Deine Bachelor- oder Masterthese, im Vergleich zu diversen anderen Quellen hat.
Dabei geht es bei dieser maschinellen Form des Plagiatsprüfens tatsächlich um nichts anderes als wortwörtliche Ähnlichkeiten. Weiter sagen diese Prozente gar nichts aus! Nicht wie gut Deine Literaturrecherche ist, wie passend Du die Zitate ausgewählt hast, welche Beispiele Du eingearbeitet hast, etc. Genau diese Punkte sind es jedoch, die einen guten wissenschaftlichen Text ausmachen, und daher auch viel wichtiger als irgendwelche Prozente, die unbekannte Algorithmen ausrechnen.
Zwar ist so eine Überprüfung sehr praktisch, Prozentzahlen erwecken außerdem den Anschein von größtmöglicher Fairness und Objektivität. Tatsächlich ist es aber weder das eine noch das andere. In einigen Fächern kommt es regelmäßig zu höheren Prozentwerten, da in diesen Fächern (zum Beispiel vergleichende Sprachwissenschaften oder Jus/Jura) generell mit mehr Ausschnitten aus Originaltexten gearbeitet wird. Auch Fächer in denen Literaturzitate standardmäßig in Fußnoten angeführt werden, werden von den Plagiatsprüfprogrammen mit höheren Prozenten „bestraft“.
Warum fragen Studierende überhaupt wegen der Prozente?
Nun könnte man einwenden, die Studierenden sollen einfach ihren Text schreiben, sauber arbeiten und korrekt zitieren, dann kann ihnen ohnehin gar nichts Schlimmes passieren. Ja, das sollen sie fürwahr alles so machen! Allerdings darf man sich nicht wundern, dass diese Frage auftaucht und viele Angst haben: Viele Hochschulen (in Österreich zumeist Fachhochschulen) haben teils rigorose interne Grenzwerte für Ähnlichkeitsprozente der Plagiatsprüfung eingeführt, die Studierende bei der Plagiatsprüfung der Bachelor- oder Masterarbeit nicht überschreiten dürfen. Von nur drei Prozent ist mir schon berichtet worden – praktisch kann so ein Prozentwert gar nicht eingehalten werden!
Kein Wunder, dass Studierende sehr unsicher sind und manchmal auch mit allen Mitteln Prozente schinden versuchen. Eine beliebte Methode ist dabei das vorab überprüfen lassen und dann alle Fundstellen umzuformulieren. Für mich eine indiskutable Praxis! Das macht nicht nur viel Arbeit, sondern auch fachlich keinerlei Sinn. Ich kann davon nur abraten!
Vermeintliche “Prozente an Plagiaten” sind nicht aussagekräftig
Diese scheinbar präzise Maßeinheit der vermeintlichen Plagiatsprozente ist nicht sehr aussagekräftig oder relevant. Ob und ab wann eine Fundstelle nicht mehr verantwortbar ist, entscheiden immer nur die zuständigen BearbeiterInnen oder PlagiatsprüferInnen basierend auf ihrem Hintergrundwissen (das vor allem technischer, ethischer, wissenschaftlicher und schreiberischer Natur sein muss). Das kann leider kein Programm abnehmen, sie zeigen mit ihren Prozentwerten definitiv keine Plagiate an!
Aus meinem Nähkästchen geplaudert bedeutet das: Ich werde bei Plagiatsprüfungen nicht unbedingt bei hohen Prozentzahlen stutzig, also in den Bereichen 20 bis 40 Prozent Ähnlichkeit. Im Gegenteil, mehr Sorgen muss man sich meiner Erfahrung nach vor allem bei 0 bis 5 Prozent Ähnlichkeit machen. Denn, entweder
- passt das Plagiatsprüfprogramm aus irgendeinem Grund nicht zu den Anforderungen,
- man muss händisch weitere Quellen einspeisen, zum Beispiel wenn es nicht elektronisch verfügbare Quellen sind oder die Quellen in dieser Sprache noch nicht für das Prüfprogramm vorliegen, oder
- die Einreichenden haben wie oben erwähnt ihren Text zuvor eigenhändisch „zu Tode geprüft“ und alles paraphrasiert, was sie als Laien meinten in einem Prüfprogramm als Plagiate erkennen zu können.
Abwägung von Eigen gegen Fremd für die Benotung
Alle drei Varianten sind durchaus unangenehm. Hohe Prozentzahlen an Ähnlichkeit weisen dagegen – abgesehen von VIEL Arbeit für die Überprüfenden – meist nur
- auf sehr rege Publikationstätigkeit in diesem bestimmten Fach hin, was viele ähnliche Zitate und Literaturangaben bewirkt, bzw.,
- dass viele Literaturanagaben im Fließtext oder
- ausgeprägte Literaturanhaben in Fußnoten enthalten sind.
So schnellen die Prozente ganz ohne Zutun des Studierenden automatisch nach oben. Dafür sollte man niemanden bestrafen oder schlechter benoten! Für Abschlussarbeiten als Nachweis von persönlichen Leistungen der Studierenden stellt sich die leidige Frage nach den Grenzen der Eigenleistung den Lehrenden natürlich regelmäßig. Manche Schulen und Hochschulen behelfen sich provisorisch, indem alles über 75 Prozent Eigenanteil eines Textes als ausreichend bis gut gilt. Das ist zumindest ein passabler Anfang. Toll sind allerdings 25 Prozent Fremdinhalt noch lange nicht, da gilt es eventuell noch nachzubesern. Erreichen kann man diese Grenze schnell, das muss einem bewusst sein, wenn man als BetreuendeR in den Prüfbericht sieht.
Diese sind es auch, in deren Ermessen und gemäß ihrer Erfahrungen entschieden wird. Doch genau in dieser Freiheit der Abwägung, ab wann wie viel Prozent vielleicht mit der Wissenschaftskultur an einer Hochschule nicht mehr konform sind beziehungsweise den Voraussetzungen der Lehrenden nicht mehr genügen, liegt auch die große Stärke dieser Methode! Leider gibt an Hochschulen häufig großes Widerstreben, es ist eben nicht gerade eine ausgeprägte Stärke von WissenschafterInnen zu akzeptieren, dass etwas nicht genau messbar sein soll. Kann man es besser machen?
Lasst Prozente Prozente sein!
Vielleicht kann man es besser machen. Diesen Verbesserungsvorschlag einer indischen Hochschule finde ich allerdings ziemlich unvernünftig: Studierende sollen alle die Menge an zitiertem Material in ihren Arbeiten auf 25 Prozent beschränken. Mit dieser Art von Persilschein muss man sich gleich gar nicht mehr bemühen, wie toll. So kann so es nicht besser werden mit den Plagiatsprozenten!
Zumindest hierzulanden liegen viele deutlich unter den 25 Prozent, weil sie sich redlich bemühen gute Abschlussarbeiten zu schreiben (meine Vergleichsmenge liegt aktuell bei rund 1000 plagiatsgeprüften Dokumenten aus diversen Fachgebieten!). Feststellbar wäre das wohl auch wieder nur mit den blanken Zahlen der Plagiatsprogramme, die wie oben beschrieben für sich alleine ja noch gar nichts aussagen. Außerdem ist die “gute” Zitatmenge auch noch sehr themen- und fachspezifisch schwankend.
So geht es nicht. Wie dann? Die Zeit der Betreuenden ist wohl viel besser investiert, wenn sie ihren Studierenden vermitteln, wozu und wie man korrekt zitiert. So viel als nötig, aber so wenig als möglich zitieren, ist die wichtigste Devise. Das zu verstehen, zu lehren und zu lernen ist der Schlüssel zum erfolgreichen Studienabschluss! Mein Rat – kümmern Sie sich nicht um den kleinlicher Schacher um mehr oder weniger Prozente!
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Artikel von Natascha Miljković, 15. Oktober 2014; update: 5. September 2017.
© aller Texte: Dr. in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2017.
© Abbildungen: wie angegeben.
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