TEIL 2 der Blog-Serie
In einem Zeitungsartikel im „Kurier“ beschreibt der Linzer Professor Gerhard Fröhlich, wie weit verbreitet seiner Meinung nach akademische Unredlichkeiten, wie eben auch das Ghostwriting von Abschlussarbeiten, schon seien.
Ich sehe es nicht ganz so pessimistisch, auch was das plagiieren betrifft, wie Fröhlich, man kennt einfach keine verlässlichen Zahlen dazu, auf die man sich stützen könnte. Auch kannte und kenne ich durchaus mehr als genügend Studierende und weiß, wie sehr man sich bemüht (und manchmal auch quält) für die Abschlussarbeit.
Hauptsächlich kenne ich viele NaturwissenschafterInnen, ja. Vielleicht ist das in den Naturwissenschaften etwas ganz Grundsätzlich anderes als in anderen Fächern, denn hier muss man ja meistens Labor- und/oder Freilandarbeit in die Master- oder Diplomarbeit inkludieren, die sich nicht so leicht von Außenstehenden simulieren lässt.
Doch es stimmt natürlich: mittlerweile gibt es auch im D-A-CH-Bereich zahlreiche Ghostwriting-Agenturen und diese werden wohl auch KundInnen haben, die diese Fabrikate unter ihrem Namen an Hochschulen einreichen.
Sehr ärgerlich – oftmals wird dieses Service als „Promotionsberatung“ oder gar „Wissenschaftsberatung“ tituliert! I am not amused, at all! 🙁
Contra akademisches Ghostwriting
Anschließend an die vorwöchige Liste (Teil 1 – Pros des akademischen Ghostwriting) darf natürlich die Gegenargumentation nicht fehlen. Tja, die „Um Himmels Willen, bloß nicht“-Abteilung ist angefüllt mit vielen Moralkeulen.
Gegen die Ghostwriter spricht unter anderem:
- es ist immer Betrug, wenn auch „nur“ prüfungsrechtlich relevant und (noch) nicht strafrechtlich
- das gesamte Hochschulwesen erfährt großen Schaden dadurch, alle Abschlüsse stehen in einem schalen Licht dar (siehe die Debatte über den Wert von Doktoraten in Deutschland), das geben sogar manche Ghostwriter selbst zu
- wird man erwischt, beeinträchtigt es das Ansehen aller Leistungen, die man während seiner Laufbahn errungen hat
- manche akademische Ghostwriter betonen großspurig man solle sich auf seine Kernkompetenzen konzentrieren und sie machen den Rest mit dem Schreiben dann schon, man betrügt sich selbst um viele wertvolle und in der Arbeitswelt später einmal sehr nützliche Fähigkeiten (z. B. besonders Recherchetechniken, Projektmanagement, Dranbleiben können), Kompetenzen kann man aber nur lernen indem man sie aktiv nutzt!
- es spart natürlich viel Zeit für das Schreiben (obwohl auch beim ghostwriting durchaus mit einigen Monaten Vorlaufzeit zu rechnen ist plus siehe Punkte unten!), ist jedoch enorm teuer (siehe Teil 1)
- auch bei noch so gut gemachten Ghostwriter-Arbeiten werden Sie dennoch Zeit zusätzlich investieren und nacharbeiten müssen, um die Finalversion zu erstellen
- Sie bekommen bei Kauf keinerlei Garantie mit dieser Arbeit auch tatäschlich bestehen zu können, haben Sie auch nicht wenn Sie Ihre Arbeit selbst schreiben, aber wenigstens gute Argumente warum Sie was wie gemacht haben und Sie haben eindeutig viel weniger Geld investiert
- es nützt nichts – Sie müssen für die Endprüfungen dennoch lernen und sich den Stoff erstrecht aufarbeiten (was Sie beim selbst Schreiben wahrscheinlich sowieso schon gemacht hätten), besonders bei Doktorarbeiten mit anschließender Defensio (der öffentlichen Verteidigung seiner Forschungsthesen) stelle ich mir das als enormen zusätzlichen Aufwand vor
- ja, ich gebe zu – da bin ich vielleicht zu idealistisch: etwas aus sich selbst heraus, mit seiner eigenen Intelligenz und seinem eigenen Können durch gute, harte Arbeit geleistet zu haben, bringt einem sehr viel mehr Genugtuung!
Aufdeckung nur unter erschwerten Bedingungen
Anders als es bei der Plagiatdetektion nun schon möglich ist, gelingt die Aufdeckung von Werken von Ghostwritern nur unter erschwerten Bedingungen. Denn diese Branche entwickelte sich parallel zur Plagiatsprüfung mit, die verkauften Texte sind anders als noch vor einigen Jahren plagiatsfrei (das wird jedenfalls sichergestellt!).
Zudem darf man sich akademische Ghostwriter nicht als stümpernde Schreiberlinge im stillen Kämmerlein vorstellen, die einen „heiße Luft“-Text fabrizieren – Ghostwriter sind sehr häufig wirklich kompetente Personen, die gründlich recherchieren bzw. sogar Fachpersonen an Hochschulen.
Die Aufdeckung erfolgt meist rein zufällig, denn technisch wäre sie nur mit umfangreichen semantischen Analysen möglich, bei der zuvor verfasste Arbeiten des Studierenden mit den Formulierungen der Abschlussarbeit verglichen würden. Tatsächlich ist das – noch! – nicht sehr anwenderfreundlich, weil absolut nicht ressourcenschonend für Hochschulen umzusetzen. Noch nicht! Ich weiss aus Vorträgen zu diesem Thema, dass daran schon emsig gearbeitet wird. Finger weg!
Harte Konsequenzen schrecken (nicht genug) ab
Die Konsequenzen bei Aufdeckung einer fremdgeschriebenen Abschlußarbeit wird diese für ungültig erklärt und der dazugehörige akademische Grad aberkannt. Auch könnte es dazu führen, dass andere Abschlüsse auch mit aberkannt werden, die man danach geschrieben hat – auch, wenn sie dann vielleicht tatsächlich selbst geleistet wurden.
In anderen Ländern, wie z. B. den USA, wird man zusätzlich auch noch von der Uni geworfen und für das Fach gesperrt. Häufig findet sich der eigene Name dann auch noch in Prüfungsdokumenten mit einem Betrugsvermerk, unter Umständen kann auf die auch ein potentieller Arbeitgeber und jedenfalls Fördergeber zugreifen. Das nennt sich dann wohl Karriere adé!
(Foto “Schreiben ist leicht, …” von “bibliothekarin” @ Flickr)
Was tun gegen die Geisterschreiberlinge?
Die akademische Welt ist zum größten Teil sehr darüber verärgert, dass man keine rechtliche Handhabe gegen die Anbieter hat. Wie erwähnt ist ghostwriting zurzeit strafrechtlich nicht verfolgenswert, da die Anbieter nur „Beispiele“ abliefern und somit die Schuldfrage auf die Anwender wälzen. Wenn es nach vielen Hochschulgremien geht soll sich diese Gesetzeslücke für akademisches(!) ghostwriting schon bald ändern.
Seltener angesprochen, da es der vestehenden, erst vor einigen Jahren neu eingeführten Bologna-Architektur des Hochschulwesens widerspräche, ist, zu überdenken, ob ein Grund-Studium (mit Bachelor- und/oder Master-Abschlüssen) überhaupt noch einer zusätzlichen Endleistung bedarf. Bis dahin hat man hat ohnehin schon zig Prüfungen bestanden, um überhaupt bis zum Abschluss zu kommen, wozu also noch eine eher weniger wissenschaftliche Abschlussarbeit schreiben?
Das ist durchaus berechtigt, als ja die wenigsten von diesen Studierenden sich auch für ein Doktorat/einen PhD entscheiden und in der Wissenschaft arbeiten werden. Zur Information, die meisten Ghostwriter-Produkte werden laut Insidern und diesem Artikel angeblich für die Fächer Jus/Jura und BWL verkauft.
Einen Punkt, auf den ich auf einer Seite einer Ghostwriting-Agentur gestolpert bin, möchte ich hier auch explizit bringen. Denn auch wenn er sicherlich nichts entschuldigt, meines Erachtens nach enthält er allerdings – ähnlich wie ich bei den Plagiatsproblemen bereits erwähnt habe – eine sehr gute und wichtige Kernaussage: ProfessorInnen, Lehrende und Betreuuende sind auch beim Thema Arbeiten schreiben VORBILDER!
Immer noch besteht sehr oft ein großes Ungleichgewicht zwischen tatsächlich geleisteter Arbeit an einem Forschunsgprojekt und der Autorenschaft (sowie deren Reihung, i.e. deren Wichtgigkeit). Es kann einfach nicht gut gehen, wenn man Ehrenautorenschaften auf Papers normal findet, selbst nichts tun dafür außer Arbeitsplatz zur Verfügung stellen, aber sollen sich die Studis da mal ein wenig profilieren und für den Prof schreiben, weil so macht das ja jeder, aber andererseits, lässt jemand jemand anderen für eine Abschlussarbeit statt für eine Publikation schreiben, ist es plötzlich nicht mehr „eh ganz normal“ sondern ein großer Skandal! Da passt etwas nicht zusammen!
Ganz grundlegend ist – wieder einmal – zu empfehlen vermehrt über diese Dinge zu sprechen, ohne immer gleich mit der Moralkeule zu kommen. Besser gleich zu Beginn UND mehrfach während des Studiums und über alle Hierarchiestufen hinweg sich erlauben über Unredlichkeiten auch einmal offen zu sprechen! Die scientific community muss sich aus sich heraus dagegen wehren und zeigen, was sie von ihren Mitgliedern erwartet und was nicht!
Weiterführende Artikel
„Leistungsgesellschaft ist ein Mythos“ (Kurier, 22.2.2014, http://kurier.at/chronik/oberoesterreich/jku-professor-leistungsgesellschaft-ist-mythos/52.593.599).
„Vgl. Ghostwriter“ („DURST“-Magazin der Österreichischen HochschülerInnenschaft, 1/2014, S. 20/21).
„Professorenverband will Ghostwriter wegsperren“ („Die Zeit“, 7.8.2012, http://www.zeit.de/studium/2012-08/ghostwriter-vor-gericht).
„Ein Gespenst geht um an den Universitäten“ („NZZ Campus“, 21.1.2011, http://campus.nzz.ch/studium/ein-gespenst-geht-um-den-universitaeten).
„Akademisches Ghostwriting: Eine Gesetzeslücke wartet auf juristischen Kitt“ (Christian Reinboth auf „Science Blogs“, 6.7.2010, http://scienceblogs.de/frischer-wind/2010/07/06/akademisches-ghostwriting-gesetzeslucke-wartet-auf-juristischen-kitt/).
„Schreiben und schreiben lassen“ („Die Zeit online“, 24.11.2006, http://www.zeit.de/campus/2006/47/ghostwriter).
„Ghostwriter: Alle Fächer, alle Fakultäten, alles Betrug“ („Spiegel Online – UniSpiegel“, 10.2.2006, http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/ghostwriter-alle-faecher-alle-fakultaeten-alles-betrug-a-399951.html).
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Großes Problem mit rasantem Datenverlust in der Wissenschaft
(Artikel von Natascha Miljković, 17. März 2014; letzets Update: 7. September 2014)
© aller Texte: Dr. in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2014.
© Abbildungen: wie angegeben.
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