Was in der akademischen Welt äußerst verpönt ist, ist in anderen Branchen als durchaus ehrenhafte Tätigkeit anzusehen: Ghostwriting, also das Schreiben von Werken für andere, zumeist ohne den eigenen Namen zu nennen.
Nun ja, wer glaubt heute noch, dass alle Politiker, ManagerInnen und andere einflussreiche und berühmte Menschen ihre stolz präsentierten Bücher und ihre Reden tatsächlich selbst verfasst haben? Natürlich steht dahinter häufig einE AndereR!
Das Konzept Ghostwriting erschließt sich vielen noch immer nicht so ganz. Böse gesagt, herrschen diese Klischees noch häufig vor: zu viel Ehrgeiz und viel Geld treffen auf keine Zeit, kein Talent und nicht genug Interesse. Und spannend finde ich ja diese Frage: Wollen die Ghostwriter denn nicht für IHR Werk geachtet und bewundert werden können?!
So stellt man sich das als Laie dann auch in Ansätzen durchaus alles ziemlich kompliziert vor. Mich hat das schon in jungen Jahren fasziniert, wieso man das nicht publik machen sollte, wer was schreibt. Ist doch nichts dabei! Oder? Wenigstens nehme ich mir ein Synonym, dann weiss es eh niemand?? Ich sagte ja schon – Laiendenke eben!
Und doch, wie meine Überschrift schon ahnen lässt, muss etwas an diesem Thema dran sein, denn es gibt dazu auch einen Film, ein gut gemachten Roman Polanski-Thriller noch dazu, 2010 bei der Berlinale mit dem Silbernen Bären für die Beste Regie ausgezeichnet.
Vor einiger Zeit habe ich ihn mir angesehen und war sehr sehr begeistert! Wenn Geister Bücher schreiben …
(Foto “phantom (cc)” von “marfis75” @ Flickr)
„Er wirkte nicht wie der klassische Selbstmörder“
Ein junger, stets namenlos bleibender Autor bekommt ein Jobangebot als Ghostwriter die Memoiren des ehemaligen britischen Premierministers Adam Lang (gespielt vom stark gealterten, ehemaligen James-Bond-Darsteller Pierce Brosnan) zu verfassen. Innerhalb von nicht ganz zwei Filmminuten tritt alsdann schon die erste Leiche zutage, die des ursprünglichen Ghostwriters. Spätestens ab der Szene darf man durchaus nichts Gutes für den Rest des Filmes erwarten! Fein, mein Suspence-liebendes Filmherz freut sich hoch drei!
Der großartige Ewan McGregor spielt den jungen Autor, der durch seinen Agenten auf dieses brutal vakant gewordene Jobangebot aufmerksam gemacht und dem Verlagshaus Rhinehardt (mit James Belushi in einer fast Cameo-artigen Rolle) als möglicher Nachfolger vorgestellt wird. Diese schreiben eine irrwitzige Summe als Honorar für ihn aus, wenn er den ersten Entwurf des Manuskriptes innerhalb eines Monats für sie fertigstellt. Eine Bedingung ist, das gut gehütete Werk muss in den USA zusammen mit Lang höchstpersönlich beendet werden. Na, wenn das mal kein toller Auftrag ist …
„Klingt mehr nach einer Bombe als nach einem Buch“
Nur kurz nachdem der Autor den Memoiren-Auftrag angenommen hat, wird er auf offener Strasse zusammengeschlagen. Er begibt sich trotz Schocks dennoch auf den Weg zu Lang, nun nicht mehr ganz so selbstzweiflerisch, eher schon ein wenig misstrauisch welche Art von Auftrag er da eigentlich angenommen hat. Noch am Flughafen in England werden die Zweifel nochmals verstärkt, als er Fernsehberichte über Lang sieht, die dessen bislang reine Weste gehörig anpatzen. Aber, er ist ja nur der Ghostwriter.
Langs Assistentin Amilia Bly empfängt ihn im Haus Langs, eher unwirsch duldet sie ihn mehr als sie ihn unterstützt. Gespielt wird sia von der allseits bekannten „Sex and the City“-Darstellerin Kim Cattrell: schön, blond, kühl und beherrscht, und gehasst von der Ehefrau, Ruth Lang.
(Foto “unbenannt” von “lance618” @ Flickr)
„Guten Tag, ich bin ihr Ghost.“
Es liegt wohl nicht nur am langen Flug, dass der Geister-Autor beim ersten Lesen der ersten Manuskript-Fassung einschläft. Im wird schlagartig bewusst, dass sein Geld leider doch hart erarbeitet werden muss, denn vor ihm liegt ein todlangweiliges, aufgeblähtes Konvolut. Das Arbeitszimmer mit der wunderschönen Aussicht auf Küste und Sanddünen würden mich persönlich schon vollauf entschädigen! Naja, in einem ein wenig wärmeren Gefielde zumindest.
Lang ist ein Unsympath erster Klasse, sogar rein private Auftritte – wie von einer Reise nachhause kommen – verkommen bei ihm zur Inszinierung. Bitte, der Mann ist schließlich Politiker! Die Arbeit am Buch beginnt er schon einmal mit Lamentieren darüber, wie schlimm sein Leben nicht ist, weil ja immer alles für ihn als wichtigen Mann gemacht wird. Welch grausames Schicksal! Doch, es muss wohl schon hart sein, wenn man so lange so öffentlich präsent war, wie man das als Regierungschef ist und sein muss, und dann in Persion zu gehen.
Der weltberühmte Autor Robert Harris (der zusammen mit Roman Polanski auch am Drehbuch schrieb) fand die Figur des machtlosen Machthabers schon immer spannend, erzählt er in einem Interview. Interessant an Lang ist, dass die Figur tatsächlich zum Teil auf Tony Blair und dessen Probleme nach seiner Regierungszeit basiert, so Harris. Natürlich sollte die Ähnlichkeit zu dieser sehr realen Person aber nicht zu groß sein!
Die Figur des Lang ist meiner Meinung nach nicht so gut herausgearbeitet: Er soll als arroganter Vollkoffer darstehen, der mit Eigenlob in seinen Memoiren sein rezentes Image aufbessern möchte. Das gelingt durchaus. Fast erinnert seine Darstellung an Interviews des ehemaligem US-Präsidenten Georg Busch Jr., bei dem ich immer die Marionettenfäden im Hintergrund gesucht habe. Doch als Brite und Cambridge-Absolvent Lang wirkt die Rolle dadurch völlig unauthentisch! Vor Untergebenen ausfällig zu werden entspricht so gar nicht dem Bild eines britischen Gentlemans in hohen Würden. Das ist für mich einfach nicht stimmig!
„Sind Sie krank? Nein, ich altere nur!“
Noch bevor die Arbeit am Buch richtig losgeht, kommt es zur Anklageerhebung durch den Den Haager Gerichtshof gegen Lang: er soll Kriegsverbrechen begangen haben, indem er britische Staatsbürger ohne Prozess amerikanischen Folterknechten überlassen hatte. Der junge Autor gerät in einen Strudel aus Ereignissen, wird plötzlich genötigt Presseaussendungen im Namen Langs abzufassen, zu allem Überdruss will der Verlag angesichts der aktuellen Ereignisse das Erscheinen des Buches innerhalb kürzester Zeit durchsetzen. Irgendetwas stimmt hier nicht! Und wie!
Im Hotel nicht mehr sicher vor den Hundertschaften der Presse und zahlreichen Demonstranten, lebt der Autor fortan unter einem Dach mit seinem neuen Forschungsobjekt und dessen Hofstaat, makabrerweise im Zimmer des toten Vorgängers. Nicht nur der Hauptcharakter des Filmes hat das ungute Gefühl durch diese Nähe zu Lang in eine Art Komplizenschaft hineingezogen zu werden. Die wie ein Damokles-Schwert über Langs Kopf schwebende Kriegsverbrechens-Anklage nimmt konkrete Züge an.
Im Zimmer stösst der Autor in den Sachen des umgekommenen Vorgängers zufällig auf Unterlagen, auf einer davon die Privatnummer des ehemaligen Vizekanzlers unter Lang. In seinem Bett findet sich bald noch so manch anderes. Der Film nimmt sehr an Fahrt auf. Handelt es sich bei der Anklage um eine Verschwörung des Vizes? Wer ist alles involviert? Wurde der vorige Ghostwriter ermordet oder war es doch nur ein bedauerlicher Unfall?
Mein persönliches Resümee zu „The Ghostwriter“
Von Roman Polanski als Person kann man halten was man will, sicherlich kein einfacher Mensch, vielleicht auch kein guter. Doch Filme machen kann er, und wie! Alleine schon die Suspence-geladene Filmmusik, die seltsamen Charaktere (z. B. der grimmig blickende Taxifahrer, die entsetzte Haushaltshilfe, der ewig Laub gegen den starken Wind kehrende Gärtner) und die ausgeklügelte Anspannung zwischen den Figuren weisen Polanski eindeutig als nicht-amerikanischen Filmemacher aus. Und als guten obendrein! I LIKE!
Der Hauptdarsteller McGregor spielt fantastisch, wie stets, die Nebenrollen sind gut besetzt (als heimlichen Star des Filmes sehe ich ja den höchst betagten Eli Wallach, damals schon 94-jährig und immer noch eine unfassbare Präsenz! *niederknie* und *anbet*!).
Auch Stimmungen, Licht, Wetter und kleine Details (wie z. B. ein modernes Gemälde im Zimmer des Autors, das wie Blutspuren wirkt) werden bei Polanski fast wie Schauspieler eingesetzt. Wichtigstes Element ist das Manuskript der Memoiren, das bis zum Schluss immer wieder gekonnt in Szene gesetzt wird!
Die Rollen der Langs sind meiner Meinung nach nicht ideal getroffen. Mich irritiert bei Ruth Lang auch die optische Ähnlichkeit zu Annett Benning, die für diese Rolle wahrscheinlich sogar die bessere Wahl gewesen wäre. Mit der herben Art und unterschweligen, nicht wirklich erklärten Aggression nimmt sie vieles plump vorweg. Im Interview sagt die Darstellerin, es wäre ursprünglich auch jemand viel berühmteres als sie vorgesehen gewesen. Diese Nachbesetzung spürt man irgendwie, leider.
Der Film zeigt sehr spannend: Wissen kann gefährlich sein, wer sich mit Hunden ins Bett legt wird durchaus auch mal gerne zerfleischt. Auch interessant für mich als Laie die Frage: Wo hört eigentlich Schriftstellertum und Ghostwriting auf und wo beginnt Journalismus?
Ghostwriting, sicherlich ein Thema, mit dem ich mich näher beschägtigen werde! Dann wieder mit akademischem Bezug! 😉
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(Artikel von Natascha Miljković, 24. Februar 2014; letztes Update: 15. März 2014)
© aller Texte: Dr.in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2014.
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