Wie wird das Schreiben zu meinem Beruf und weitere neugierige Fragen (Bloginterview)

Das Schreiben zum (Neben-)Beruf zu machen ist mir persönlich vor kurzem gelungen. Ein Sachbuch zu erstellen, aus einem Thema entspringend, das man ohnedies beruflich schon lange und entsprechend gut kennt, erschien mir langfristig ein sehr natürlicher Schritt in meinem eigenen beruflichen Werdegang zu sein. Das „Schreib-Fieber“ habe ich allerdings schon seit der Volksschule. Die große Freude Dinge, die zunächst nur in meinem Kopf herumschwirren, so auf’s Papier zu bringen, dass andere es verstehen und dann auch noch spannend/wichtig/lustig finden, hat mich seither immer begleitet.

Das Projekt „erstes eigenes Buch“ neben dem Vollzeit-Brotjob von uns vier AutorInnen zu schaffen, war dann doch deutlich schwieriger als ich zunächst dachte. Plötzlich rang ich, die Viel-, Gern- und Gutschreiberin, um Sätze, um einzelne Worte sogar. Tage und schließlich sogar einige Wochen reihten sich aneinander, an denen ich kaum mehr als einen Satz zustande brachte. Aus dem Spaß wurde eine echte Qual!

Erst die Rückbesinnung dazu, was meine ursprüngliche Intention und mein Ziel war, dieses Buch (Eigenwerbung hier) zu beginnen, die guten Momente bislang (zum Beispiel sofort einen namhaften Verlag gefunden zu haben, viele weitere wären ebenfalls interessiert gewesen) und mein Team hat mich endlich aus dieser unangenehmen Phase holen können.

Um besser darüber zu Reflektieren, was es mit dem Schreiben als und im Beruf so alles auf sich hat, habe ich heute eine Frau zum Bloginterview geladen, die mehr Einsichten dazu hat: Meine heutige Interviewpartnerin ist Frau Barbara Stromberg von „Schreiben-als-Beruf.de“! Herzlich Willkommen!

 

Natascha Miljković (NM): Liebe Frau Stromberg, was hat Sie zum Schreiben gebracht? War das wie bei mir immer schon da oder gab es vielleicht sogar Schlüsselmomente, die Sie mit dem in Berührung brachten?

Barbara Stromberg von „Schreiben-als-Beruf.de“: Ich wünschte, ich hätte einen solchen schillernden Moment, um davon zu berichten. Immerhin: Ich habe als Kind früh, viel und gern gelesen. Das war’s aber auch schon. Mein kreativer Output beschränkte sich bis zum Abi auf die Vertonung der ersten Seiten meiner Kinderbibel auf Kassette mit 7 Jahren und einem Fantasyroman mit 10, der über die ersten sechs Seiten nicht herauskam. Bei mir ist es nicht so sehr das Schreiben, sondern der Spaß an der Sprache und den Möglichkeiten, die sie bietet, die mich dazu brachte, das Schreiben als Beruf zu wählen.

 

(Foto: meine Interviewpartnerin, Barbara Stromberg von “Schreiben-als-Beruf.de”;
(c) Volker Schäffner
)

 

NM: Gibt es eigentlich „Anzeichen“, wann jemand „reif“ ist, das Schreiben generell zum Beruf zu machen? Oder gibt es Ihrer Meinung nach vielleicht sogar Voraussetzungen, die man dafür idealerweise mitbringen sollte?

BS: Das Schreiben sollte einem leicht fallen, ohne danach zu klingen. Ich meine damit nicht, dass es immer und jederzeit mühelos einfach geschehen muss. Aber wer das Schreiben und das Nachdenken über die Wirkung der Wörter als Broterwerb tagtäglich und stundenlang exerzieren möchte, sollte das ohne körperliche und geistige Schmerzen tun können. Sonst wird es zur Quälerei. Das wird es ja oft genug eh schon, weil es regelmäßig schlecht bezahlt wird.

Wer aber schnell und sauber schreiben kann, wer Spaß am Formulieren hat, ohne sich im Feilen an jedem Buchstaben zu verlieren, wer Texte verfassen kann, die dem Leser geschmeidig und gefällig vom Auge ins Hirn fließen, wer es schafft, bei anderen Menschen Buchstaben zur Stimme werden zu lassen, der ist ein guter Kandidat für das Schreiben als Beruf.

 

NM: Und wie sieht es mit Bedingungen aus, bei denen man Ihrer Meinung nach am besten die Finger vom Schreiben lassen sollte? Es gibt ja auch den Spruch „jede/r trägt ein Buch in sich“, nachgehen muss man dem aber nicht unbedingt können oder wollen?

BS: Generell sollte man sich immer und jederzeit die Frage stellen: „Wer soll das lesen?“ Bei vielen Autobiografien, die die Leute zu Papier bringen wollen, ist die Zielgruppe tendenziell überschaubar. Für alle Texte gilt: Wenn das Thema schlichtweg in einer Nische einer Nische einer Nische stattfindet, sollte man es sich gut überlegen, ob der Aufwand lohnt. Die Erfahrung zeigt aber auch: Es gibt für alles einen Markt. Siehe „Shades of grey“. Hier liegt der Erfolg meines Erachtens eher im Inhalt begründet als in der Form. Aber das ist ein anderes Thema.

Kritisch finde ich es, wenn man in den Beruf startet ohne Rücklagen. Es dauert seine Zeit, bis man genügend Erfahrung hat, um sich an die großen Fische heranzutrauen und man es auch schafft, die schweren Brocken an Land zu ziehen. Viele Anfänger sind unsicher in ihrem Können und fordern dann zu wenig Honorar. Oder nehmen Billigjobs an, die Wortcentpreise im Promillebereich einbringen, aber sie den ganzen Tag an den Schreibtisch ketten. Nach dem Motto „Lieber den Spatz in der Hand …“. Das hat aber mit Professionalität nichts zu tun. Das ist eine Notlösung und sollte es auch bleiben.

 

NM: Ich denke beim Schreiben als Beruf hauptsächlich an AutorInnen, WerbetexterInnen und JournalistInnen. Welche ungewöhnlichen Schreibberufe kennen Sie? Gibt es so etwas wie GlückskekszetteltexterInnen eigentlich wirklich? 😉

BS: Irgendjemand muss es ja tun. Allerdings ist das selten ein Job von 9 bis 17 Uhr, sondern eher etwas, was hin und wieder für kleines Geld auf Textbörsen feil geboten wird. AutorInnen, WerbetexterInnen, JournalistInnen sind allerdings auch für sich genommen keine homogene Gruppe. Es gibt AutorInnen, die lustige Romane schreiben, andere verfassen als GhostwriterInnen Sachbücher oder sind FachautorInnen für Schulbücher.

Auch TexterInnen machen die unterschiedlichsten Dinge von Kreuzworträtselverfassen bis Kaffeenamenausdenken. Selbst bei den ÜbersetzerInnen gibt es die Exoten, die beispielsweise Computerspiele aus dem Englischen ins Deutsche übertragen. Die Rückseite der Shampooflasche, Hörspiele fürs Radio, Liedtexte und Geschäftsberichte – das alles wird professionell geschrieben von Menschen, die das Schreiben als Beruf haben.

Mit „Schreiben als Beruf“ möchte ich aber auch die erreichen, die jenseits der Medien beruflich viel schreiben müssen. Zum Beispiel Anwälte. Dieser Berufsstand schreibt jeden Tag seitenweise teils krudes Zeugs und macht sich dabei die deutsche Sprache auf eine Art und Weise zu Nutze, die ihre eigene Faszination hat. Oder denken Sie an Redenschreiber, die Politikern und Firmenchefs die Worte in den Mund legen, oder auch Unternehmensberater, die Businesspläne schreiben müssen, die Bänkern gefallen.

 

NM: Kürzlich habe ich wieder auf Ihrer gerade neu gestarteten Website „Schreiben-als-Beruf.de“ gestöbert und viele nützliche neue Tipps gefunden. Wie entstand die Idee Schreibenden, und zwar ja durchaus auch schon Schreibprofis darunter, unter die Arme greifen zu wollen?

BS: Ich hab schon einige Workshops und Vorträge zum Thema Pressearbeit oder auch rund um bestimmte Textsorten gegeben. Immer für Leute, die schreiben MÜSSEN, beispielsweise in Unternehmen, Verbänden oder Vereinen. Über die Jahre, ja fast Jahrzehnte, kommt da einiges zusammen, was man für sich selbst entdeckt und an nützlichen Tipps aufschnappt.

Unbestritten herrscht großer Bedarf an Unterstützung, Beratung und umsetzbaren Praxistipps bei denen, die beruflich schreiben müssen oder wollen. Auch Schreibprofis sind dankbar für Abkürzungen und Tricks, die ihnen das Schreiben erleichtern. Man möchte ja nicht bei jedem Auftrag das Rad neu erfinden. Ich selbst bin seit 1996 im Job und trotzdem ein Fan von Textertipps, How-to-Ratgebern und Fachliteratur. Viele Texter und Autoren wurschteln ja oftmals als Solo-Selbstständige am Schreibtisch vor sich hin und es fehlt der Blick auf die Kollegen links und rechts. Dabei ist es auch für die eigene Arbeit gut, mal nachzugucken, wie es andere machen.

 

NM: Eine Form des Schreibens, die uns allen täglich sehr häufig begegnet, ist das Schreiben für den Online-Gebrauch. Ob auf Websites oder Blogs, für Online-Werbung oder Social Media-Kanälen – überall Texte! Dabei lesen Menschen heutzutage doch „nicht mehr“! 😉 „Content is King“ heisst es auch oft, andererseits wird mindestens ebenso gerne von „Bullshit-Bingo“ (nichts ist mehr relevant, Hauptsache es fällt auf) gesprochen. Was ist Ihrer Meinung nach das besondere am Schreiben im und fürs Internet?

BS: Ich bin mir sicher, die Leute lesen mehr als jemals zuvor. Überall will etwas gelesen werden, drängt sich als Lies-mich-Nachricht in der Bildschirmecke auf und poppt auf dem Handy ins Blickfeld. Das macht es schwieriger durchzudringen zum Leser. Ohne Aufmerksamkeit nutzt der beste Content nichts. Und mit nutzlosem Content kommt man nicht weit.

Gute Inhalte fürs Netz zu schreiben ist immer eine Gratwanderung zwischen dem Klickköder und dem echten Nutzwert. Einerseits muss man die kurze Aufmerksamkeitsspanne zwischen zwei Scrollwischern nutzen und andererseits gibt es online keine Grenzen, was die Tiefe und Vielfalt an Informationen angeht, die man anbieten kann. Wenn man die Informationen in Häppchen teilt, die für sich genommen attraktiv sind, umgeht man aber auch dieses Problem galant. Das fällt mir als bekennender To-Long-Copy-Schreiberin mitunter schwer.

 

NM: Der Buchmarkt ist mit zigtausenden Neuerscheinungen monatlich nur im deutschsprachigen Raum wahnsinnig dicht und entsprechend heiß umkämpft. Daher gestaltet sich die Verlagssuche auch entsprechend schwierig, will man ein „published author“ werden. Gibt’s Insidertipps, wie man es doch schaffen kann, zum Beispiel, schon für das Exposé-Erstellen eine Expertin, einen Experten mit an Bord holen? Asking for a friend … 😉

BS: Ich weiß, da gibt es tausend Unsicherheiten. Wer kann einschätzen, ob die Schreibe und das Thema buchtauglich sind? Erst das Exposé schreiben und dann zum Verlag? Oder doch lieber eine Agentur suchen? Und wie findet man Experten, die beraten, ehrlich einschätzen können und Kontakte haben?

Experten zu fragen, die das tagtäglich absolvieren, schadet nie, kostet aber. Das muss man letztlich selbst abwägen. Um das Projekt bei einer Agentur anzubieten, braucht es ein Exposé und die ersten 20, 30, maximal 50 Seiten. Dabei helfen bei Bedarf auf Exposéberatung spezialisierte Agenturen, die auch beim Aufbau und Konzeption des Buches helfen können. Ein vollständiges Manuskript ist in dieser Phase noch nicht nötig – eher hinderlich, denn eventuell hat man den Verlag gefunden, aber dort möchte man alles ganz anders haben.

Die wichtigsten Punkte zum Exposé lassen sich schnell googeln, zum Beispiel findet man sie bei Daniela Pucher. Empfehlen kann ich auch das “Handbuch für Autorinnen und Autoren” aus dem Uschtrin-Verlag.

 

NM: Vor einigen Jahren las ich ein Werk der Exil-Ungarin Ágota Kristof („Die Analphabetin“, ein autobiographisches Werk, 2005 auf Deutsch erschienen), in dem sie beschreibt, wie sie, die erfahrende Autorin, der neuen fremden Sprache (Französisch, sie lebte nach ihrer Flucht aus Ungarn über Österreich bis zu ihrem Tod in der Schweiz) jedes Wort abgetrotzt hatte und so zwangsläufig auch zu einem völlig neuen Denken und Schreibstil finden musste, unter dem man sie letztlich auch kennt. Meinen Blog lesen viele Studierende und ich unterrichte auch immer wieder Erasmus-Studierende in wissenschaftlichem Englisch. Können Sie ihnen gute Tipps für das Schreiben in Fremdsprachen geben?

BS: Aus eigener Erfahrung nicht. Aber den Hinweis auf das „Denken“ halte ich für elementar. Denken bestimmt die Sprache – Sprache bestimmt das Denken. Jedes Wort bekommt seine Bedeutung erst durch die Assoziation und die Erfahrung, die wir damit verknüpfen. Ein Finne sieht etwas völlig anders vor seinem Auge, wenn er „Holzhütte“ liest als ein Yanomami, der im Amazonas-Gebiet lebt. Jede Sprache hat ihre eigene Welt und ich kann mir vorstellen, dass man es nur schafft, authentisch eine Sprache zu benutzen, wenn man auch die Szenerie erfasst, in der die Sprache lebt. Wenn schon nicht live, dann durch lesen und sprechen.

 

NM: Zum Abschluss noch die allerwichtigste Frage: Wie geht es denn mit der Seite „Schreiben-als-Beruf.de“ im nächsten halben Jahr, Jahr weiter? Kann man mitmachen, kann man fördern? Wen suchen Sie, für Artikel und Interviews z.B.? Welche Ziele möchten Sie unbedingt erreichen?

BS: Kurzfristig möchte ich die Interviews und Schreibtipps, die in meiner Pipeline schlummern, veröffentlichen. Da sind einige Exoten-Interviews dabei, so viel kann ich versprechen.

Mittelfristig suche ich weitere schillernde Interviewpartner, die beruflich und professionell schreiben. Melden kann sich gerne auch, wer Weiterbildungsangebote für Menschen anbietet, die von Berufswegen schreiben müssen, sollen oder wollen.

Langfristig ist natürlich geplant, dass das Projekt zumindest die Kosten für Hosting, Technik und Chichi einspielt. Gerne auch mehr. Spenden Sie jetzt!

 

NM: Das unterstütze ich gerne: Aufruf an alle LeserInnen dieses Artikels – wenn es Ihnen gefallen hat, schauen Sie doch gleich mal auf die Seite von Frau Stromberg und spenden Sie! Ihnen wünsche ich viel Erfolg und sage herzlichen Dank für das schöne Gespräch! Toi toi toi mit „Schreiben-als-Beruf.de“!

BS: Ich hab zu danken für die interessanten Fragen!

 

 

Intro und Interview von Natascha Miljković, (c) Antworten der InterviewpartnerIn (unverändert), 1. März 2017.

© aller Texte: Dr. in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2017.
© Abbildungen: wie angegeben.

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About Dr. Natascha Miljkovic

Inhaberin der Firma Zitier-Weise, Agentur für Plagiatprävention. Naturwissenschafterin mit viel Auslandsforschungserfahrung, Wissenschaftsberaterin und präventive Plagiatsprüferin. Berät Bildungseinrichtungen zum Themenkreis akademische Unredlichkeit und unterrichtet, wie man diese (z. B. Plagiate) nachhaltig vermeiden kann. Auch an allen anderen Themen in, um und durch Forschung und Bildungseinrichtungen interessiert.

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