Gleich vorweg – nein, dies ist nicht der zigte Schreibratgeber für Studierende, aber Sie können damit natürlich auch über das wissenschaftliche Schreiben lernen! Dieses Buch ist tatsächlich wie der Titel sagt ein Buch über das wissenschaftliche ARBEITEN, das so viel mehr umfasst als die Suche nach Literatur und letztlich das Schreiben ansich. Wie schon im Vorwort ausdrücklich darauf hingewiesen wird, bietet es Anleitungen und Hilfestellungen für Studierende und Betreuende(!) aus den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.
In neun umfangreichen Kapiteln werden das Fundament des wissenschaftlichen Arbeitens gemeinsam gelegt, Kriterien besprochen, die an Abschlussarbeiten angelegt werden, der gesamte Entstehungsprozess einer wissenschaftlichen Arbeit aufgezeigt, die wissenschaftliche Literaturarbeit analysiert, wichtige Bestandteile einer Abschlussarbeit erklärt, ebenso wie Empirie, Schreibmethoden und Argumentation, weiters die formale Gestaltung sowie zu guter Letzt auch zahlreiche Tipps und Tricks zum Erarbeiten von Wissenschaft aufgezeigt.
Gleich bei der Inhaltsangabe fallen mir einige wichtige Unterscheidungsmerkmale zu klassischen Ratgebern (an denen selbstverständlich bei weitem nichts auszusetzen ist, meist sind sie nur eben noch praxisorientierter angelegt als dieses Werk!) auf: diese Buch will mehr, mehr Hintergrundwissen bieten, um den Prozess zu fördern, den es hin zur Abschlussarbeit anzustreben gilt. Das ist absolut löblich, denn das wird meiner Ansicht nach zu selten so konsequent durchgeführt!
(Abb.: Cover des vorgestellen Buches “Wissenschaftliches Arbeiten kompakt”; (c) Linde Verlag)
Einige Highlights genauer betrachtet
Der Start ist perfekt gelungen: Qualitätskriterien der Wissenschaft (1.1.2.) und Wissenschaftstheorien (1.2.) vorzufinden freuen mich als Wissenschaftsberaterin mit Schwerpunkt akademische Integrität natürlich enorm! Die Inhalte werden verständlich und kurz präsentiert, wirklich perfekte Zusammenfassungen dieser doch enorm großen Wissensgebiete zu bieten, ist wahrlich eine Herausforderung.
Gleich die nächsten zwei Unterkapitel Arten von wissenschaftlichen Aussagen (1.3.) sowie Hypothesen (1.5.), ich nenne es salopp zusammengefasst Argumentationstechniken, finde ich in anderen Büchern für Studierende häufig unterbelichtet oder sie fehlen praktisch vollständig. Zu wissen wie man argumentiert, welche Aspekte man auswählt, um Standpunkte zu skizzieren etc. ist das Grundgerüst für das wissenschaftliche Schreiben! Das darf einfach nicht unter den Tisch fallen! In diesen beiden Unterkapiteln finden Sie zu jeder genannten Form eine kurze Beschreibung und ein Beispiel. Das Argumentieren beim Schreiben kommt nochmals viel ausführlicher in Kapitel 7. (7.5., Argumentation) zur Sprache.
In Kapitel 4 wird etwas sehr Wichtiges und meiner Ansicht nach ebenfalls wiederum häufig Vernachlässigtes angesprochen: Lesetechniken (4.2.4.) und Literaturauswertung (4.3.) für wissenschaftliche Literatur. Auch ich erlebe Studierendentexte im Rahmen von Plagiatsprüfungen immer wieder eher als eine bloße Sammlung von Zitaten denn als ein durchdachtes und kondensiertes Ganzes mit deutlichem „roten Faden“ und logischen Argumenten. Gründe dafür sind wohl sehr basal und liegen (neben Zeitmangel, der auch häufig einen Strich durch die Rechnung macht, vor allem was das dringend notwendige Überarbeiten geht) sehr wahrscheinlich häufig auch im mangelndem Wissen um die Verwertung von Literatur. Die Hinweise für ein allgemeines Raster (S. 84 f.) zur Aufarbeitung und zum Exzerpieren (4.3.2.) sehe ich als sehr wertvoll an!
Das ist nicht mein „cup of tea“
Leider kommt das Buch in sehr nüchterner Sprache und alle Abbildungen nur in Schwarz-Weiss (gut, das ist nicht einfach zu beeinflussen als VerfasserInnen, ist eben so, dennoch schade) daher, als dass es Studierende besonders ansprechen wird können. Sprachlich nicht blumig zu schreiben ist absolut in Ordnung, allerdings sind manche der Abbildungen nicht besonders leserlich (z. B. S. 40).
Mir persönlich gefällt es auch nicht so gut, zu Beginn jedes Kapitels „Lernziele“ zu definieren, die jedes Kapitel mit sich bringt oder bringen kann/soll. Stattdessen bevorzuge ich einen finalen Überblick oder „Take home“-Messages. Das ist nicht als Wertung zu verstehen, nur meine persönliche Präferenz, zumal hier nachgelesen wird und wohl weniger gelernt. Es ist durchaus legitim es so handzuhaben, denn diese Einstiege ins Kapitel sind auch eine etwas anders fokussierte Inhaltsangabe als die, die es zu Beginn des Buches für jedes Kapitel bereits gibt. Für viele LeserInnen kann das sehr nützlich sein!
Das Unterkapitel Arten von Zitaten (8.1.) kommt leider ohne die für Studierende enorm wichtige Auseinandersetzung WARUM wir in den Wissenschaften eigentlich zitieren aus. Ja, es stimmt schon, was in der Kapiteleinleitung in zwei Sätzen zusammengefasst wird – um Urheberrechte nicht zu verletzen und die Nachvollziehbarkeit zu wahren. Für Studierende sind dies allerdings die unwichtigsten Aspekte des Zitierens, zumindest meist sehr nachrangige.
Viel wichtiger (vor allem für die Betreuenden, die dieses Buch lesen werden, es verstärkt an ihre Studierenden weiterzugeben) ist es zu vermitteln, dass KEIN Zitat oder anderer Inhalt einfach so ohne Einarbeitung und Besprechung im Text stehen darf. Dass man je nach sprachlicher Formulierung Argumente mit gut ausgewählten Zitaten „hoch- oder runterschreiben“ (also pushen bzw. abwerten) kann bzw. auch nur neutral darüber berichten kann. Dass man damit auch beweist, wie gut man eingearbeitet ist. Und vieles mehr! Sollten diese Aspekte doch an anderer Stelle besprochen sein, so konnte ich sie nicht finden.
Persönliches Fazit zum Buch
Die große praktische Kenntnis, die die zahlreichen AutorInnen aus ihrer eigenen Lehr- und Betreuungserfahrung einfließen ließen, ist auf jeder Seite spürbar. Ein wenig nimmt mir die allzu nüchterne Aufmachung des Buches davon weg, das leider nur Schwarz-Weiß-Abbildungen enthält. So kommt es mehr wie ein Proceedingsband einer Konferenz, denn als Arbeitsbuch daher und nicht ganz so einladend wie man hoffen würde. Doch – letztlich ist ja nicht die Verpackung sondern der Inhalt das Wesentliche, und da fand ich mehr als genug Gutes vor!
Besonders gut hat mir im Vorwort der Hinweis gefallen, dass häufig viel zu große, gänzlich unnötige Ehrfurcht vor der Wissenschaft im Weg stunde und der interessant ergänzte allseits bekannte Spruch: „Der Weg ist das Ziel, […] denn die Wissenschaft ist keine Autobahn“. In diesem Sinne – genießen Sie das Buch und das Schreiben hin zu Ihrer Abschlussarbeit!
Waschzettel zum Buch
„Wissenschaftliches Arbeiten kompakt. Bachelor- und Masterarbeiten erfolgreich erstellen“
Claudia Hienerth, Beate Huber und Daniela Süssenbacher (Hrsg.Innen)
219 Seiten
Linde international, 2009
ISBN: 9783714301625 (Buch)
ISBN: 9783709402610 (ebook)
Danksagung & Disclaimer
Herzlichen Dank an den Linde Verlag für die großzügige Überlassung eines Rezensionsexemplares! Trotzdem und auch obwohl die meisten der AutorInnen und HerausgeberInnen mir nicht näher bekannte KollegInnen an der FH WKW sind (ich bin zeitweise als externe Lektorin dort tätig), sind die obigen Ausführungen meine unbeeinflusse, persönliche Meinung zum Buch.
Artikel von Natascha Miljković, 8. März 2017
© aller Texte: Dr. in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2017.
© Abbildungen: wie angegeben.
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