Im Winter bat ich eine liebe Kollegin mir ihre Erfahrungen als Schreibcoachin für Studierende für ein Blog-Interview zu schildern.
Als Follow-up darf ich Euch heute Antworten zu eben diesen Fragen nun beantwortet von meiner Freundin, Schreibpsychologin und Autorin Mag.a Petra Öllinger, präsentieren.
Was mich an dieser Doppelbefragung so reizte, war, zu sehen wie viele Methoden es in der Schreibberatung und in der Schreibförderung es gibt. Oft geht es dabei einfach wieder ins Tun bzw. eben ins Schreiben zu kommen, wobei das zunächst nicht einmal unbedingt fachlich relevant sein muss – just write it!
(Foto “have desk, will write” von Bright Meadow @ Flickr)
Auch sehr spannend ist, beide Kolleginnen sind seit vielen Jahren in diesem Bereich tätig, haben andere Kundinnen und Kunden und bedienen sich anderer Zugänge und Methoden. Dennoch ähneln sich die Schilderungen der Schreibherausforderungen sehr.
Lest selbst, was Petra über das Schreiben (lernen) zu berichten weiss!
*) Mit welchen Herausforderungen und Hürden haben Studierende zu kämpfen, wenn sie zu Dir kommen, weil sie Hilfe für die Abschlussarbeit brauchen?
Das hängt davon ab, in welcher Schreibphase sie sich befinden und welche Arbeit (Seminararbeit, Dissertation etc.) sie verfassen müssen.
In der Abschlussphase ihrer Arbeit treten StudentInnen an mich heran, wenn es um den Feinschliff ihrer Abschlussarbeit geht; da wird dann noch am Inhalt und am Sprachstil gefeilt.
Steht jemand hingegen (ganz) am Anfang, so müssen oft grundsätzliche Aspekte des wissenschaftlichen Schreibens geklärt werden, oft fließen Bereiche hinein wie Aufbau eines Versuchsdesigns und/oder der Umgang mit statistischen Daten.
Unabhängig von den genannten Aspekten tauchen oft die Fragen auf wie: Was ist wissenschaftliche Sprache überhaupt? Wie unterscheidet sie sich vom narrativen Stil? Und häufig fällt der Satz: „Ich kann nicht schreiben!”
*) Bitte beschreibe uns Deine Rolle als Schreibcoach und -beraterin!
Ich sehe mich als Hebamme, die hilft, die Ideen zur Welt zur bringen. Und so wie Mütter und Neugeborene danach noch einer Betreuung bedürfen, versuche ich gemeinsam mit der Schreibenden/dem Schreibenden ihr/sein geistiges Kind fit(ter) – z. B. für die Ansprüche an eine wissenschaftliche Arbeit – zu machen.
*) Wie machst Du den Studierenden das Schreiben wieder angenehm und zu einem erfolgreichen Erlebnis?
Eine Übung, die zu Beginn immer Skepsis und erstaunte Blicke hervorruft, ist jene, dass die StudentInnen mit der Hand schreiben sollen.
Dafür sollen sie erstens verschiedene Schreibgeräte wählen (es macht einen Unterschied, ob ich zum Beispiel mit einem weichen Bleistift oder einem Filzstift schreibe), dann sollen sie diese Schreibgeräte auf unterschiedlichen Papiersorten versuchen. Die Skepsis verschwindet sehr rasch und es ist immer wieder erstaunlich, wie viele Ideen und Gedanken da plötzlich hervorsprudeln.
Das ist eine probate Möglichkeit, um die StudentInnen etwas wegzubekommen vom „Pickenbleiben“ am Satz, der auf dem Bildschirm steht. Die Entfernen-Taste verleitet dazu, einen Satz x-mal umzuformulieren, nichts geht weiter. Das blockiert und frustriert sehr viele, vor allem, wenn sie am Beginn einer schriftlichen Arbeit sind, quasi erst noch am Rohentwurf „bauen“. Mit der Hand schreiben ist eine Fingerübung – im wahrsten Sinn des Wortes –, die auch das Hirn befreit.
Hin und wieder schicke ich TeilnehmerInnen in meinen Workshops zum Spazieren, oder sie müssen eine schnelle Runde um den Häuserblock drehen. Und nach der Rückkehr alles, wirklich alles aufschreiben, was ihnen durch den Kopf geht. Und es geht dann vieles, sehr Konstruktives, durch den Kopf.
Oft höre ich den Satz: „Wie soll ich ausdrücken, worum es in meiner Arbeit geht?“ Eine Antwort darauf ist unter anderem die „Ein-Satz-Übung“, d. h. in einem einzigen, möglichst kurzen Satz den Inhalt ausdrücken – eine meiner Lieblingstrainingseinheiten, weil sie immer mit viel Humor verbunden sind. Und nebenbei auch noch den Fokus auf das Wesentliche legen.
*) Zu Plagiatskandalen – haben die diversen Verdächtigungen der letzten 3 Jahre das Schreiben für Studierende Deiner Meinung nach verändert?
Auf jeden Fall. Es herrscht einerseits große Verunsicherung (z. B. „Mach ich mit dem Zitieren eh alles richtig?“), andererseits achten die StudentInnen viel mehr auf korrektes, wissenschaftliches Schreiben/Arbeiten.
Die sogenannten „Plagiatskandale“ bewirkten also auch durchaus mehr Sensibilität für das Thema. Wobei es dabei ja nicht nur ums Schreiben an sich geht, sondern auch um Studienergebnisse. Zum Beispiel: Wie groß ist die Versuchung und/oder der Druck, Ergebnisse den Vorstellungen der AuftraggeberInnen/der GeldgeberInnen anzupassen oder um in namhaften wissenschaftlichen Publikationen aufzuscheinen.
*) Was bedeutet das Schreiben für Dich persönlich?
Das Salz (und manchmal auch das Haar) in der Suppe, und der Finger in offenen Wunden. Bewegung für Herz und Hirn, und Innehalten.
Liebe Petra! Ganz herzlichen Dank für das Blog-Interview und Deine beruflichen wie auch persönlichen Erfahrungen mit dem Schreiben!
Besonders gut hat mir die handschriftliche Methode gefallen, die Du uns geschildert hast! Ich selbst habe ja optisch leider eine sehr gruselige Klaue, doch als begeisterte Tagebuchschreiberin und exzessive Notizenkrixlerin bin ich fast immer handschriftlich unterwegs. Für mich besteht gefühlsmässig eine direkte Verbindung von Hirn zu Schreibhand, was manchmal wirklich Wunder wirkt beim Vorgang des Erkenntnisgewinns.
Wie auch schon im Blog-Interview mit Schreibcoachin und Autorin Mag.a Johanna Vedral fällt mir zwischen den Zeilen ein gewisser Mangel an “Schreibbewusstsein” von Studierenden auf. Das ist sehr schade und so unglaublich frustrierend für die Betroffenen!
Ich hatte als Studentin auch oft das Gefühl, es ist egal was man wie schreibt, Hauptsache die Fakten sind enthalten. Dass man etwas auch “schön” schreiben solle, war während meines Studiums nie Anforderung, sogar verpönt. Dazu kam noch meine damalige Denkweise “Ich bin ja nur Studentin, was habe ich schon zur Wissenschaft Wichtiges beizutragen?”
Ich denke, dass Schreibarbeiten im Studium verstärkt werden sollten, natürlich besonders in Kombination mit konstruktivem Feedback (dazu habe ich kürzlich 3 Blogartikel verfasst – hier, hier und hier nachzulesen). Schließlich und endlich ist es eine der wichtigsten fachlichen wie auch beruflichen Fähigkeiten die man haben sollte – sich gut ausdrücken zu können!
Das könnte Sie auch interessieren!
Auf Xing gibt es eine eigene Gruppe zu wissenschaftlich Schreiben! JedeR ist herzlich willkommen!
Fehler machen klug – Tücken des wissenschaftlichen Schreibens
Literaturempfehlungen zum Welttag des Buches 2013 – Quellensammlung zu wissenschaftlich Schreiben
Abschlussarbeit finalisieren – meine Tipps wie Ihr leichter zurande kommt damit
Ändern Plagiatsprüfungen das Schreibverhalten?
Wann entstehen Plagiate? – Diese Mindsets fördern Fehlverhalten
Neue, alte Schreibmythen in den Wissenschaften
(Artikel von Natascha Miljković, 23. Jänner 2014, update: 15. März 2014)
© aller Texte: Dr.in Natascha Miljković, Agentur Zitier-Weise, 2012-2014.
© Abbildungen: wie angegeben.
Den Plagiatpräventions-Blog der Zitier-Weise als E-Mail lesen
Mit einem Feed-Reader abonnieren
Der Wissenschaftlichkeits-Blog von Natascha Miljkovic ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz. Wenn Sie über diese Lizenz hinausgehend Erlaubnis zur Verwendung meiner Inhalte haben möchten, können Sie diese sehr unter www.plagiatpruefung.at/kontakt anfragen!
Pingback: #wasichlese - Meine Rezension zum Welttag des Buches - Zeit-und Selbstmanagement